Die Venus philosophiert

Liebes Leben,

was ist eigentlich Glück? Wahrscheinlich für jeden etwas anderes. Was also ist für mich Glück?
Diese Frage beschäftigt mich heute morgen, weil ich beim Waschmaschine-Ausräumen (!) plötzlich einen wohligen Seufzer ausgestoßen habe und sich ein klitzekleines, warmes Glücksgefühl in der Herzgegend bemerkbar machte. Nicht, dass mich Hausarbeit restlos erfüllen würde. Aber sie erdet mich. Wenn mein Gedankenkarussell zu viel Fahrt aufnimmt, dann tut einfache Hausarbeit einfach nur gut.

Zurück zum Glück: Mein Glück ist aufgebaut, wie eine Pyramide. Ganz unten, das Fundament also, ist meine Familie. Mein Schatz und seine Eltern gehören da wohl auch dazu. Genauso wie meine besten, engsten Freunde. Ohne sie alle wäre ich ein anderer Mensch. Dann kommen verschiedene kleine Steine – meine Arbeit zum Beispiel. Sie macht mich auch glücklich. Es ist kein Glücklichsein, das mich jeden Morgen in die Luft springen lässt, aber es ist ein ruhiges Gefühl, die Gewissheit, eine Arbeit zu haben, beruhigt und trägt zu meinem Glück bei. Auch die Fähigkeit, übers Glück nachdenken zu können, macht mich glücklich. Dankbar zu sein, für alles, was ich habe – wem auch immer. Die kleinen Dinge zu schätzen wissen, macht mich genauso glücklich. Ich hätte zwar gerne einen Porsche unterm Hintern, aber einen Corsa zu besitzen, der mich mobil macht, reicht für mein Glück völlig aus. Also macht Materielles nicht glücklich, es beruhigt nur. Vier Sprachen zu beherrschen – nicht alle gleich flüssig, aber doch ganz passabel – macht mich auch glücklich. Allein schon die Gewissheit, aus eigener Kraft etwas lernen zu können und an mir zu verändern, macht mich ungeheuer zufrieden.

Wahrscheinlich ist nicht die nasse Wäsche Auslöser für diesen Eintrag gewesen, sondern die Putzfrau im Verlag, die mir gestern über den Weg gelaufen ist. Sie spricht radebrechend deutsch, ihr Mann ist schwer krank, sie selbst ist körperlich angeschlagen und hat noch zwei kleinere Kinder. Als Putzfrau verdient sie zuwenig für die ganze Familie und doch kommen sie zurecht. Sie kann sich über ein geschenktes Duplo in der Mittagspause freuen, wie ein kleines Kind. Aber übers Glücklichsein denkt sie nicht nach. Sie ist es einfach. Sie lacht viel und strahlt Herzlichkeit aus. Wenn ich sie so sehe, schäme ich mich fast ein bisschen dafür, mir Gedanken über ein 60. Paar Schuhe zu machen oder über einen Porsche, den nun wirklich keiner zum Glück braucht…

Also werde ich jetzt zur Arbeit fahren, die frische Herbstluft genießen und beim Anblick von grasenden Kühen im Frühnebel genau das denken, was ich jeden Morgen denke: Das Leben ist schön, wenn man es mit den richtigen Augen betrachtet.

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