Und plötzlich war es … still.

Kranksein ist doof. Und kommt auch nie gelegen. Am Freitag war meine Welt noch soweit in Ordnung, nur abends auf dem Sofa zwickte mein Magen ein bisschen. Als ich ins Bett ging, war aber wieder alles ok. Bis ich am Samstagmorgen um fünf aufwachte und fiese Magenschmerzen hatte. Ein bisschen fühlte es sich an, als habe sich ein Elefant auf meinem Bauch niedergelassen. Zwar war mir nicht schlecht, aber der Magen brannte, zwickte, klemmte und verdarb mir gehörig die Laune. Ich schleppte mich mehr schlecht als recht durch den Samstag, aß kaum etwas außer Zwieback und Tee und guckte leidend. Letzteres kann ich gut.

Am Sonntag stand eine Konfirmation in Freiburg an, zu der ich echt gern gegangen wäre. Aber weil die Nacht von Samstag auf Sonntag nicht gerade erholsam war und die Aussicht, in Freiburg ein Bett für zwischendurch zu finden gegen Null tendierte, beschloss ich schweren Herzens, daheim zu bleiben und meine Familie alleine fahren zu lassen. Meine vier anderen Mitbewohner machten sich also morgens kurz nach acht auf und ließen mich mit guten Wünschen allein daheim zurück. Ich hörte, wie die Tür ins Schloss fiel. Dann das Auto die Straße runter fahren. Und dann war es still. Die erste Stunde verbrachte ich im Bett. Kurz nach neun stand ich auf und aß vorsichtig meinen Zwieback. Mein Magen quittierte das wohlwollend und ich legte mich aufs Sofa. Falls jemand wissen will, was das Fernsehprogramm sonntags so bietet: Dokumentationen über den 1. Weltkrieg. Dokumentationen über den 2. Weltkrieg. Autorennen. Dokumentationen über Eisengießereien, Raumfahrttechnik, das Leben und Aussterben der Mammuts, klassische Konzerte und amerikanische Comedy mit eingespieltem Beifall. Also echte Highlights. Ich schaltete die Glotze aus und begann zu lesen. Guckte auf die Uhr. Kurz vor elf. Als das Telefon zwischendurch klingelte, fiel ich fast von der Couch vor Schreck. Ich pendelte zwischen Bett und Sofa hin und her, manchmal in der irrigen Hoffnung, der andere Fernseher würde ein besseres Programm bieten. Ich streamte alte Folgen von Pfarrer Braun, die ich aber alle schon kannte. Ich begann einen Radio-Tatort und aß vorsichtig einen Teller Suppe. Dann war schon vierzehn Uhr vorbei. Wer jetzt die Hoffnung auf eine spannende Pointe noch nicht aufgegeben hat, den möchte ich jetzt enttäuschen – es passierte gestern in meinem Leben absolut gar nichts. Mein Magen war der aktivste Teil meines Körpers und der war so gut wie still. Zwischendurch wurde ich mit Fotos von der Feier auf dem Laufenden gehalten und recht detailverliebt über das umfassende Nachspeisenbüffet informiert, das ich verpasste. Als meine Lieben dann gestern abend um sieben endlich endlich wieder zur Tür hereinkamen, fühlte ich mich wie ein ausgesetzter Hund, der nach zwei Wochen seine Familie wieder sieht. Hätte ich einen Schwanz, ich hätte begeistert damit gewedelt und alle freudig abgeleckt. Und dann wurde mir bewusst, dass ich – außer bei kurzen Telefonaten – fast elf Stunden geschwiegen hatte. Geschadet hat mir das sicher nichts. Aber es war eine ungewohnte Erfahrung.

Heute habe ich mich dann bei meinen Eltern auf die Terrasse gesetzt, die nackten Füße in die Sonne gestreckt und mein Rededefizit aufgearbeitet. Jetzt genießen die glaube ich die Ruhe, seit ich weg bin. Und noch etwas ist mir bewusst geworden. Leben mit Kindern heißt, Leben ohne selbstbestimmte Ruhe. Mit einer Dreieinhalbjährigen um sich herum ist es einfach nie still. Entweder sie quasselt oder ich quassele oder wir quasseln durcheinander. Aber Stille, so extreme, stille Stille wie gestern? Hab ich schon seit Jahren nicht mehr erfahren.

Mein Magen hat sich übrigens wieder eingekriegt. Ich habe vorhin die erste Tasse Kaffee getrunken seit Freitag. Elf Stunden die Klappe halten und fast drei Tage ohne Kaffee – wer mich kennt weiß, dass mein Wochenende ein sehr außergewöhnliches war.

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