Wie man’s macht …

In Zeiten, in denen Redakteure der Obrigkeitshörigkeit verdächtigt werden, in denen Begriffe wie Lügenpresse fallen, geben wir täglich unser Bestes, den Vorwürfen entgegenzutreten und es besser zu machen. Auch wenn es um banale Dinge geht.

Als ich im Mai angefangen habe, wieder zu arbeiten, ist mir irgendwie ein Thema in den Schoß gefallen. Es geht um einen Streit, der seit Monaten schwelt. Neulich ist ein großer Artikel von mir dazu erschienen, an dem ich tagelang gearbeitet und recherchiert habe. 

Heute morgen rief einer der Beteiligten an (der nicht im Artikel vorkam).

Sinngemäß lief das Gespräch ungefähr so:

Er: “Ihr Artikel war doof! Sie schreiben, dass das Gras grün ist! Wer hat Ihnen das gesagt?”

Ich: “Die zuständige Rasenbehörde!”

Er: “Ach. Und der glauben Sie?”

Ich: “Öh … ja, es ist eine Behörde, sie unterliegt dem Gesetz…”

Er (unterbricht micht): “Gesetze, ha, dass ich nicht lache, die Behörde hält sich doch nicht ans Gesetz! Grünes Gras! Ha! Und Sie glauben das! Sie haben sich das von denen ins Blatt diktieren lassen.”

Ich: “Was ich geschrieben habe, geht aus dem aktuellen Grasfarben-Gutachten hervor!”

Er: “Wo steht das?”

Ich (zitiere aus dem Gutachten): “… so ist abschließend festzustellen, dass das Gras grün ist.”

Er: “Grün! Das muss man doch interpretieren! Gemeint ist, das Gras kann alle Farben haben, aber grün ist die wahrscheinlichste! Verstehen Sie das nicht? Grün! Das hat sich Ihr Informant doch ausgedacht, der legt sich ja alles zurecht wie es ihm passt und beruft sich auf das Gutachten.”

Ich: “Das steht doch aber nicht da!”

Er: “Sie kennen sich in Sachen Grasfarben halt net so gut aus wie ich, ich bin da jetzt schon echt ein Fachmann.”

Ich: “Aber wenn da grün steht, der Fachmann bestätigt, dass da grün steht und ich schreibe, dass der Fachmann sagt, es sei grün … wo ist dann ihr Problem?”

Er (selbstsicher):  “Ich hatte gestern einen anderen Fachmann da. Der sagt, das Gras ist blau!”

Ich: “Oh. Blau? Können Sie das belegen?”

Er: “Ja natürlich, ich habe ein 1000-seitiges Gutachten!”

Ich: “Kann ich das haben?”

Er: “Ja natürlich. Nur ist der Drucker gerade ausgefallen. Aber dann dürfen Sie es durchblättern.”

Ich: “Ich werde es lesen, komplett. Und da steht drin, dass das Gras blau ist?”

Er: “Ich hatte ja nicht gesagt, dass es blau ist.”

ich: “NICHT?”

Er: “Es gibt ja auch sowas dazwischen. Wie … türkis.”

Ich: “Ja was denn jetzt?”

Er: “Ja wissen Sie, wenn viele Menschen zusammenarbeiten, versteht man schon mal was falsch. Und wenn Herr x Ihnen sagte, das Gras sei blau, dann meinte er eventuell auch türkis. Mehr so … grüntürkis. So wie ich das ja von Anfang an gesagt habe.”

Ich: “Sie haben doch vorhin noch …”

Er (redet einfach weiter): “Es war ja nicht alles falsch, was Sie geschrieben haben. Das türkis ist ja sehr grünlastig. Von weiter weg könnte man, bei flacher Sonneneinstrahlung und wenn die Venus im vierten Siloturm steht, auch meinen, es sei grün.”

ich: “Sie sagen jetzt also, das Gras ist grün?”

Er: “Sie verstehen das halt nicht. Es ist ja grün, natürlich ist es grün. So schlecht war Ihr Text ja nicht. Das sagte auch der Experte, der mein Gutachten geschrieben habe. Grün. Sage ich ja schon lange. Mir glaubt ja keiner.”

Ich: “…”

Insofern … morgen ist ein neuer Tag. Ich werde aufstehen und aus dem Fenster linsen und gespannt sein, welche Farbe mein Gras hat. Und morgen Abend verabschiede ich mich für zwei Wochen von Grasgutachtern und Farbwahrnehmungen. 😉

 

 

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