Liebes Leben,
auch Träume muss man aufräumen. Ich habe mir ein eigens dafür angefertigtes Traumregal geschaffen. Die Einlegeböden sind aus rosa Zuckerwatte und die Rückwand besteht aus dunkler Schokolade.
Ganz unten habe ich alle Vorhaben eingeordnet, die noch nicht so recht Traumgröße erreicht haben. Den Kontakt zu lieben Freunden pflegen, zum Beispiel. Tut gut, aber gilt nicht als Traum, weil ganz leicht zu haben.
Man muss sich ein wenig bücken, um dran zu kommen, manchmal krachen die Knochen, wenn man dazu in die Knie geht, aber wenn man ein sich dazu durchgerungen hat, ist es einfach ein gutes Gefühl. In die Mitte habe ich die mittelgroßen Träume einsortiert. Die, nach denen man einfach nur Greifen muss, um sie wahrwerden zu lassen. Dazu gehört zum Beispiel, ein Kinderbuch zu schreiben. Wer vor dem Regal stehen bleibt und nur seufzend die Auslage anschmachtet, kommt zu nichts. Ich habe die Tür aufgemacht und die Kinderbuchschachtel steht gerade geöffnet bei mir rum. Ich muss nur reingreifen.
Ganz oben stehen die großen Träume. Die, zu denen ich aufschauen muss, weil ich noch zu klein bin, um dran zu kommen. Noch reicht mein Arm nicht auf das oberste Brett, aber ich weiß, dass ich mit jedem wahrgewordenen Traum ein Stückchen wachse. Und irgendwann komme ich auch ganz nach oben, an die bunten Schachteln und Tüten, auf denen mit Russisch-Brot-Buchstaben “Porsche” steht oder “Erfolgreiche Autorin” oder “unabhängige Journalistin” oder “klitzekleines bisschen reich”.
Eine Schachtel ist allerdings kaputt gegangen, beim Einräumen. Ihr Inhalt schimmert in allen Regenbogenfarben und hat sich komplett in allen Regalböden verstreut, klebt an den Schokowänden, auf dem Fußboden und zum Glück auch an mir. Was in der Schachtel drin war? Glücksstaub. Nicht der ganz Teure mit Goldflitter. Der einfache, der, der mir jeden Tag ein Lächeln abringt und meine Sinne schärft für die kleinen, einfachen Dinge. Ich hoffe, ich kann ihn auch jeden Tag heimlich an die verteilen, die mir lieb sind.