Schubladen zu!

Wir Redakteure sind gehalten, allen Sachverhalten neutral gegenüber zu stehen. Wir werten nicht, wenn wir berichten, wir spiegeln die Tatsachen möglichst eins zu eins, suchen uns vertrauenswürdige Quellen und gleichen Schilderungen miteinander ab, um der Wahrheit auf die Schliche zu kommen. Das ist der Idealfall. Und trotzdem sind wir Menschen. Die über Dinge empört sind, die sich ärgern über andere. Und Menschen, die sich aus dem Gefühl heraus eine Meinung über andere bilden, ob wir das wollen oder nicht. Vielleicht sind wir sogar besonders empathisch, weil wir es jeden Tag mit Menschen zu tun haben, die entweder unbedingt in unsere Zeitung möchten oder eben lieber überhaupt nicht. Wir lesen unser Gegenüber und auch wenn wir uns an unsere Grundsätze halten, bleibt ein Gefühl, das er in uns auslöst.

Vor ein paar Tagen lief mir eine Geschichte über den Weg, die mich zum Nachdenken gebracht hat. Ein Gerücht zunächst, das sich im Laufe eines Vormittags als wahr herausstellte. Zwar nicht so blutrünstig, wie es erzählt wurde, aber doch so ähnlich. Ich klapperte verschiedene Informanten ab, fügte Puzzelteilchen zusammen, fragte hier nach, hakte dort nach. Anhand der Erzählungen schließlich hatte ich ein Bild des Hauptbeteiligten vorm inneren Auge, an dem es fast nichts zu zweifeln gab. Bis ich ihn anrief, um ihm selbst die Gelegenheit zu geben, sich zu äußern. Der Mann, den ich am Telefon erlebte, war ungefähr das Gegenteil von dem, was ich mir vorgestellt hatte.

Ich hatte das getan, was die meisten Menschen tun: Ich hatte eine Schublade gefunden, in die der fremde Mensch zu passen schien. Glücklicherweise hatte ich ihm die Möglichkeit eingeräumt, sich zu erklären.

Wenn ich diese Woche etwas gelernt habe (außer das mit der Rinderhaltung), dann auf alle Fälle, dass Vorurteile menschlich sind. Sich zunächst nur auf gesicherte Fakten zu verlassen und jedem Menschen offen zu begegnen, ist manchmal gar nicht so selbstverständlich. Aber wichtig. Nicht nur für Zeitungsleute.

Und sonst so? War die Woche irgendwie verdammt lang und anstrengend. Unvorhergesehene Termine, Tage, die früh anfangen und spät aufhören, Geschichten, die sich in die Länge ziehen, Gemeinderatssitzungen, Ortschaftsratssitzungen (man kann über 5 Tagesordnungspunkte über zwei Stunden sprechen!), 32 Arbeitsstunden in 3 Tagen. Trotzdem und immer noch: Ich habe den weltschönsten Beruf. Nicht trotz allem, sondern wegen allem.

Und die Weihnachtsgeschenkefront? Während ich letztes Jahr ungefähr am 1. Dezember fein säuberlich beschriftete Päckchen stapelte, hake ich heute immer noch to-buy-Listen ab. Merke: Eine Arbeitswoche verkürzt meinen Spielraum um 32 Stunden. Nicht immer, aber manchmal. Umso mehr sollte ich eigentlich zufrieden sein, dass niemand hier nackt ins Büro muss oder verhungert, dass irgendwie fast alle Weihnachtsgeschenke im Haus sind und dass bis Weihnachten ja auch noch 9 Tage Zeit ist. Ganz spontan habe ich mir übrigens überlegt, jemandem eine kleine Freude zu machen, der ganz sicher nicht damit rechnet: Jeden Abend in dieser Woche, an dem ich ermattet am Schreibtisch saß und in den Monitor hineinblinzelte, kam Rita vorbei. Rita ist die Reinigungsfee in der Redaktion, Mama zweier Mädchen und ein wunderbarer Mensch. Ich habe sie vom ersten Tag an ins Herz geschlossen, als sie mir kopfschüttelnd wie eine Mama eben meinen Mülleimer vor die Nase hielt mit den Worten: “Das muss besser werden, Sie müssen da ordentlich trennen!” (Ich hatte eine Plastikumverpackung in den Papierkorb getan!)

Weil ich sehe, wieviel sie leistet und ahne, dass sie auch nicht immer die Anerkennung dafür bekommt, die sie verdient, habe ich ihr ein klitzekleines Päckchen geschnürt. Einziges Risiko: Sie hasst Baden oder hat gar keine Badewanne. Aber das Risiko gehe ich ein in der Hoffnung, dass sie die Geste zu schätzen weiß. 

Wenn mich übrigens jemand fragen würde, was er mir zu Weihnachten schenken könnte, würde ich sagen: Rita. Aber mich fragt ja keiner. 🙂

Wie man’s macht …

In Zeiten, in denen Redakteure der Obrigkeitshörigkeit verdächtigt werden, in denen Begriffe wie Lügenpresse fallen, geben wir täglich unser Bestes, den Vorwürfen entgegenzutreten und es besser zu machen. Auch wenn es um banale Dinge geht.

Als ich im Mai angefangen habe, wieder zu arbeiten, ist mir irgendwie ein Thema in den Schoß gefallen. Es geht um einen Streit, der seit Monaten schwelt. Neulich ist ein großer Artikel von mir dazu erschienen, an dem ich tagelang gearbeitet und recherchiert habe. 

Heute morgen rief einer der Beteiligten an (der nicht im Artikel vorkam).

Sinngemäß lief das Gespräch ungefähr so:

Er: “Ihr Artikel war doof! Sie schreiben, dass das Gras grün ist! Wer hat Ihnen das gesagt?”

Ich: “Die zuständige Rasenbehörde!”

Er: “Ach. Und der glauben Sie?”

Ich: “Öh … ja, es ist eine Behörde, sie unterliegt dem Gesetz…”

Er (unterbricht micht): “Gesetze, ha, dass ich nicht lache, die Behörde hält sich doch nicht ans Gesetz! Grünes Gras! Ha! Und Sie glauben das! Sie haben sich das von denen ins Blatt diktieren lassen.”

Ich: “Was ich geschrieben habe, geht aus dem aktuellen Grasfarben-Gutachten hervor!”

Er: “Wo steht das?”

Ich (zitiere aus dem Gutachten): “… so ist abschließend festzustellen, dass das Gras grün ist.”

Er: “Grün! Das muss man doch interpretieren! Gemeint ist, das Gras kann alle Farben haben, aber grün ist die wahrscheinlichste! Verstehen Sie das nicht? Grün! Das hat sich Ihr Informant doch ausgedacht, der legt sich ja alles zurecht wie es ihm passt und beruft sich auf das Gutachten.”

Ich: “Das steht doch aber nicht da!”

Er: “Sie kennen sich in Sachen Grasfarben halt net so gut aus wie ich, ich bin da jetzt schon echt ein Fachmann.”

Ich: “Aber wenn da grün steht, der Fachmann bestätigt, dass da grün steht und ich schreibe, dass der Fachmann sagt, es sei grün … wo ist dann ihr Problem?”

Er (selbstsicher):  “Ich hatte gestern einen anderen Fachmann da. Der sagt, das Gras ist blau!”

Ich: “Oh. Blau? Können Sie das belegen?”

Er: “Ja natürlich, ich habe ein 1000-seitiges Gutachten!”

Ich: “Kann ich das haben?”

Er: “Ja natürlich. Nur ist der Drucker gerade ausgefallen. Aber dann dürfen Sie es durchblättern.”

Ich: “Ich werde es lesen, komplett. Und da steht drin, dass das Gras blau ist?”

Er: “Ich hatte ja nicht gesagt, dass es blau ist.”

ich: “NICHT?”

Er: “Es gibt ja auch sowas dazwischen. Wie … türkis.”

Ich: “Ja was denn jetzt?”

Er: “Ja wissen Sie, wenn viele Menschen zusammenarbeiten, versteht man schon mal was falsch. Und wenn Herr x Ihnen sagte, das Gras sei blau, dann meinte er eventuell auch türkis. Mehr so … grüntürkis. So wie ich das ja von Anfang an gesagt habe.”

Ich: “Sie haben doch vorhin noch …”

Er (redet einfach weiter): “Es war ja nicht alles falsch, was Sie geschrieben haben. Das türkis ist ja sehr grünlastig. Von weiter weg könnte man, bei flacher Sonneneinstrahlung und wenn die Venus im vierten Siloturm steht, auch meinen, es sei grün.”

ich: “Sie sagen jetzt also, das Gras ist grün?”

Er: “Sie verstehen das halt nicht. Es ist ja grün, natürlich ist es grün. So schlecht war Ihr Text ja nicht. Das sagte auch der Experte, der mein Gutachten geschrieben habe. Grün. Sage ich ja schon lange. Mir glaubt ja keiner.”

Ich: “…”

Insofern … morgen ist ein neuer Tag. Ich werde aufstehen und aus dem Fenster linsen und gespannt sein, welche Farbe mein Gras hat. Und morgen Abend verabschiede ich mich für zwei Wochen von Grasgutachtern und Farbwahrnehmungen. 😉

 

 

Daily business – wie bestellt und nicht abgeholt.

Die meisten meiner Tage sind “Jippieee und yeeeahhh”. Ich stehe motiviert auf, quatsche gut gelaunt ein morgenmuffeliges Kind in frische Klamotten und ringe ihm eine Runde Zähneputzen ab, bringe es in den Kindi oder zu Oma und starte in einen Arbeitstag voller Höhen und … Höhen.

Heute war eher so “Och. Joa.” Ich stand motiviert auf, bugsierte das muffelige Kind in frische Klamotten, rang ihm das Versprechen ab, aufgrund der fortgeschrittenen Zeit bei Oma die Zähne zu putzen nach dem Frühstück, das ich ihm eingepackt hatte.

Und dann nahm der Tag so seinen Lauf. Ein Artikel, den ich nach Rücksprache mit der zuständigen Behörde geschrieben habe, hat nicht den Vorstellungen der Tippgeberin entsprochen. Ungefähr um 180 Grad nicht.

Beim  nächsten Termin wollte mein Gegenüber eigentlich den Artikel selbst verfassen, mindestens aber alles korrekturlesen dürfen. Nicht weil er an meiner Intelligenz zweifle, sondern weil die Sache halt echt kompliziert sei. Danke auch.

Am Nachmittag wurde ich zu einem Termin bestellt. Treffpunkt 14.30 Uhr an der Pforte. Ich war zehn Minuten zu früh und wartete auch noch zehn Minuten länger. Trotzdem kam keiner. Ende vom Lied: Ich war bestellt aber nicht abgeholt worden und das Pressegespräch musste nochmal von vorn begonnen werden. So isses dann halt.

Als endlich langsam Ruhe in die Redaktion einkehrte, schrieb ich noch eine Geschichte vom Stapel, die mir keine Ruhe lässt sonst. Dann besorgte ich Brötchen, räumte eine Spülmaschine aus, bezog das Bett frisch und beschloss, dass der morgige Tag eine neue, weiße Seite im Buch ist. Und wehe da sudelt mir jetzt einer drauf rum.

Warten, warten, warten …

Ich habe Fragen. Viele Fragen. Und nachdem ich am Freitag ein investigatives, konspiratives Non-Gespräch geführt habe (“diese Unterhaltung hat nie stattgefunden!”) konnte ich sie auch klar formulieren, weswegen ich am Samstag in der Redaktion aufschlug und sie mir aus den Fingern und ins Postfach der Adressaten tippte. Blöd nur: Außer mir hat es keiner so eilig. Denn die entsprechenden Stellen müssen es “im Haus erst intern klären”, was so viel heißt wie “Frau, nerv nicht, wir haben soviel Zeug an der Backe, jetzt kommst Du noch so neugierig ums Eck”. „Warten, warten, warten …“ weiterlesen

Kurze Wochen, lange Wochen, Bienen, Bügelperlen – und ein kleiner Nachklapp

Jede Woche hat unbestreitbar 7 Tage. Und jeder Tag davon ist in etwa gleich lang. Als ich gestern beim Bäcker 30 Brezeln für eine Veranstaltung bestellte und mich die Dame hinterm Tresen fragte, für wann, sagte ich “erst für Samstag”. Sie daraufhin etwas verdutzt “Samstag, also morgen? Oder erst nächste Woche?” Was für den Rest der Welt gestern nämlich Freitag war, war für mich gefühlt höchstens Mittwoch. Die Woche kam mir wahnsinnig kurz und auf der anderen Seite auch wahnsinnig lang vor. Der neue alte Job hat mich zweieinhalb Tage lang in einer Art Raumkapsel durch die Zeit katapultiert, der Donnerstagmittag war der Bremsstreifen und am Freitag waberte ich irgendwie unschlüssig durch den Tag, kaufte spontan teure Farbe und turnte auf Gerüsten rum. Aber das wisst ihr ja schon. Heute morgen bin ich dann aber endgültig im Samstag angekommen und musste lachen, als ich in meiner Instagram-Timeline ganz viele “Es-ist-Samstag-heute-putzen-wir-das-Haus”-Einträge fand. Überall das selbe. „Kurze Wochen, lange Wochen, Bienen, Bügelperlen – und ein kleiner Nachklapp“ weiterlesen

Und wie Du wieder aussiehst…

Brigitte. Kennste, ne? DIE Brigitte. Die es schon vor Jahrzehnten am Kiosk gab. Die mit den Klamotten- und Stylingtips, mit Pflege- und Diättips. Mit Back- und Koch- und Einrichtungstips. Eine Frauenzeitschrift. Millionenfach verkauft an – schätze ich jetzt einfach mal – Frauen. Die lässt auch ihre Leserinnen zu Wort kommen. Löblich.

Und die? Finden zuviel Frausein irgendwie doof. Unemanzipiert. Verachtenswert sogar.

Ich bin heute auf diesen Leserbeitrag gestoßen.

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Zum Greifen nah…

…war die Lösung meines Problems gestern. Und trotzdem drang sie nicht bis in mein Bewusstsein durch.
Ich hab die Gehaltsabrechnungen verteilt. Die kommen, sortiert nach einem mir völlig schleierhaften System, gegliedert in zwei Päckchen an. Ich sortiere sie nach Sitzreihenfolge, damit ich schnell durch alle Büros durch komme.
Und wie ich gestern in einem Büro mit vier Mitarbeitern stehe, habe ich für drei einen Brief auf der Hand, für den vierten nicht. Es lief mir eiskalt den Rücken runter – wo kann der hingekommen sein? Hatte ich den nicht eben noch? Oder… hab ich den womöglich aufgrund einer mittlerweile aufgehobenen Befristung aus dem Gehalts-System gelöscht und jetzt ist für ihn kein Geld unterwegs?! Wie schnell könnte eine Blitzüberweisung auf dem Konto sein, könnte ich das Geld wohl notfalls bar holen und im nächsten Monat alles wieder richten? Tausend Notfallpläne… dann kam ich auf die schlaue Idee, in meinen Duplikaten zu gucken, ob ich für ihn einen Ausdruck bekommen hatte. Und tatsächlich, er war dabei. Die erste Panik flaute ab. Aber dann musste doch auch ein Umschlag irgendwo sein…? Ich wusste mir nicht anders zu helfen, außer mein Duplikat auf den Kopierer zu legen und ihm eine Kopie auszuhändigen…

Ich fuhr nach Hause. Und grübelte. Und je mehr ich grübelte, desto mehr spürte ich einen wichtigen Gedanken an mein Bewusstsein klopfen… als ich die Runde gemacht hatte… im Büro vorher… da war doch ein Mitarbeiter, dessen Umschlag dicker war… warum war der dicker? Es war mir aufgefallen, aber ich hatte es nur registriert. Und es fiel mir wieder ein. Heute morgen führte mich mein erster Gang in das entsprechende Büro. Ich sehe die beiden (!) Umschläge von weitem ungeöffnet liegen. Der untere – tattataaa – war der Gesuchte. Manchmal… können Lösungen so einfach sein. Aber Panik ist einfach ein schlechter Ratgeber.

Buchhaltung – eine Welt für sich.

Heute war ich bei einem Seminar. Anwesend waren alle, die sich mit Gehältern und Lohnbuchhaltung auseinandersetzen. Also nicht weltweit alle, haha, aber eben alle, die der Einladung gefolgt waren. Ort des Geschehens: Ein hübsches, modernes kleines Hotel in der Nachbarstadt. Konferenzraum. Seminarleiter – zwei wahnsinnig eloquente und schnieke Herren vom Typ Nobelkarossen-Verkäufer. Geschult. Redegewandt. Einer davon redete ohne Unterlass, der andere saß hinten und beobachtete, ob jemand Blödsinn machte. Das Publikum – glich einem Treffen der Landfrauenvereinigung. OK, das ist mein fieses Klischeedenken. Aber ich darf das, das hier ist mein Blog. Also die Landfrauen – Altersdurchschnitt 50. Haare – blond-getönt-graumeliert-dauergewellt. Bluse, Stoffhose, Strickjacke. Perlenkette. Klassisch. Bieder.
Ich kam aus dem Aufzug des Parkhauses und wurde begrüßt – “Das hier ist das Arbeitgeberseminar der…” “Jap, dann bin ich hier richtig!”
Der Autoverkäufer guckte mich überrascht an. “Ja dann… nur herein spaziert!”
Ich war zehn Minuten vor Seminarbeginn da und damit vorletzte. Als Buchhalterin schätzt man wohl Pünktlichkeit. Ich saß in der letzten Reihe und kritzelte inspiriert mit. Schräg vor mir saß eine der ganz hellgrauen Fraktion, nennen wir sie Hermine. Sie wusste alles. Der Autoverkäufer stellte hin und wieder eine Frage, die wohl eher rhetorisch gemeint war, “Wer von Ihnen hatte denn schon mal… und weiß, was…”, und Hermines Finger schnellte in die Höhe, bevor die Frage überhaupt im Raum stand. Noch bevor ICH überhaupt begriffen hatte, was der Frager wissen will, hatte Hermine die Antwort parat. Und wenn sie sprach, klang es wie abgelesen. Und so, als ob das eine völlig banale Frage gewesen sei, die zu beantworten reine Zeitverschwendung sei. Das brachte selbst seine eloquente Wenigkeit vor uns ein bisschen ins Staucheln. Das Seminar selbst war interessant. Ich hab ein paar wichtige Sachen mitgenommen. Die Wichtigste vielleicht – ich bin so was von untypisch was mein Aufgabengebiet angeht – und das ist verdammt gut so.

Es gibt so Tage…

…an denen ich meine Motivation nicht finde. Gestern war so einer. Heute klingt er noch ein bisschen nach. Alles zerrt an mir, jeder will was von mir, die Gehälter müssen gemacht werden, das sprichwörtliche Mädchen für alles wird mit allem zugemüllt, was sich hier so anstaut.
Motivation also. Wo ist sie? Ich hab schon in den Schubladen geguckt… jetzt geh ich mal in die Küche und schau, ob sie bei der Kaffeemaschine rumlungert…

Hat sie einer von Euch…. zufällig irgendwo…. gesehen?

Mr. Lohse from se deutsche Rörren-AG

Das Tolle an meinem Job ist ja, dass ich immer wieder neue Menschen kennen lernen darf.
Darunter sind mitunter schräge Vögel. Einen ebensolchen traf ich gestern. Seines Zeichens Vermieter.
Ein potentieller neuer Mitarbeiter war mit seiner Frau aus England angereist, um sich hier ein wenig umzusehen. Immerhin müsste die Gattin ihren Job aufgeben, das Eigenheim müsste verkauft und die vierjährigen Zwillinge ebenso nach good ol’ Germany umgetopft werden wie die Eltern. Da will man schon mal gucken, wie das da so ist. Wir haben also eifrig Häuser besichtigt und gestern Nachmittag auch eine riesige Wohnung in der Innenstadt.
Bereits am Telefon hatte mir Mr. Lohse gesagt, dass sein Englisch außerordentlich gut sei und dass er sich freue über die Gelegenheit einer sprachlichen Trainingseinheit.

Nun. Eine Trainingseinheit war es indes. Hauptsächlich für unsere Geduld.
Die Wohnungsbesichtigung begann mit der ausführlichen Erläuterung der Funktionsweise des Fahrstuhls. Dieser, man höre und staune, öffnet automatisch die Fronttür (“se … opening door”) und bewegt sich wie durch Magie in den richtigen Stock, wenn man nur den richtigen Knopf drückt (“sehr ju bress se batten of your stock and sen wi go ab”)
Natürlich ist so ein Aufzug heutzutage ein ungeheuer sicheres Transportmittel. Es gibt nämlich einen Alarmknopf. Sehr beruhigend. “Elliweiters kän bi verrrri dändscher…rus… wenn ju will be stop bei mistäik… ju don’t häff matsch… brihsing… brähsing…bries… air…” Wir schauten erwartungsgemäß erschrocken. Und er setzte noch einen drauf. “Juschulli… ju DON’T bress se batten wis se clock on!” (er meinte die Glocke)”Only in kehs ju nihd help!” (Ahso!) “Sen ju will häff after 20 seconds a connection to Stuttgart and samwon helps ju!” Es entstand eine Pause, in der er uns beifallheischend der Reihe nach ansah. Wir nickten begeistert, in der Annahme, der Mensch am Ende der Leitung in Stuttgart sei dann eigens für unser Entertainment zuständig, bis Hilfe kommt. Dolle Sache.

Die Wohnung war sehr groß und Herr Lohse ließ es sich nicht nehmen, in jedem Raum ein paar Besonderheiten hervorzuheben. “Hier we häff a wasching pleis. I told ju, sis apartment ist verri speschl.” Er grinste verschmitzt. (In der Tat, wer hat schon ein Handwaschbecken nebst Spiegel, gefliester Rückwand und Handtuchhalter im Wohnzimmer?) Wir gingen weiter in eine Art Wintergarten. “Sis is se Loggia. Ju no? Loggia. Itz itäliän. Ei spihk also italian verri well. LOGGIA! L-O-G-G-I-A! Wi kol it wintergarten Itz wie Kindergarten. Only wis a wi. a wi. ju no. a dabel… w.” Ich ergänzte: “Double u”. Er warf mir einen leicht empörten Blick zu. “Siss”, er drehte sich um seine eigene Achse und machte eine ausschweifende Armbewegung, “…was se room of se servant”. Das englische Paar schaute sich an. Unsicher, ob es wohl auf die Schnelle noch Hausangestellte auftreiben könnte, die im Wintergarten wohnen wollten. Herr Lohse verschränkte die Arme auf dem Rücken, schaute aus dem Fenster und wippte von den Ballen auf die Ferse und zurück. “Sehr ju kan sii a brandschutzmauer. Sis was verri popjula ..äh.. in…se past teim. When feiers wehr mohr popjula… feiers, ju no? Wis biiiig fleims. and hot. and… feiers halt. Wis sis … ma..äh…walls sei kept se feiers … in … se…only… behind. So däd not all se ährea was börned.” Die Engländer nickten und beeilten sich aus dem Zimmermädchenzimmer ins nächste Zimmer voranzugehen. Herr Lohse eilte hinterher, überholte beide und öffnete beinahe alle Türen eines Einbauschranks. “Siss, Lady, is for juh!” Er wurde ganz aufgeregt. “Siss is nämlich for se hausweif! You no, lady, in a big apartment ju häff to clihn everidei. For all wenn ju häff kids. Änd siss is se pleis for se brasches and se backets and se clihning ekwipment.” Frau Engländerin schaute zerknirscht, rang sich ein Lächeln ab und nickte.
Als wir fast durch waren und sich das Paar herzlich für seine Mühe bedankte und sein Englisch lobte, kamen wir noch ein wenig ins Plaudern. “Ju no… I was a bissnessmän in Sri Lanka.. Ei wörkt äss a fäschndiseiner for ten jihrs.. in Sria Lanka. Änd sen in Päris.” Wir drei schauten fast synchron auf den etwas fleckigen, hellgrauen Jersey-Pulli und weiter hinab auf die ausgebeulten Jeans. “Ser I hätt (!)”..(strenger Blick, erhobener Zeigefinger…”tu lörn se inglish längisch…guisch…guitsch. Änd ei also spihk itäliän. Änd nou eim lörning celtic. Bikors I reit a buk abaut se celts..celtics…celtic pipel. Änd ei häff tu dogs.” Wir bewegten uns unauffällig in Richtung der Ausgangstür. “I häff won of sem from Spain. It was a street dog”, führte er aus und zu mir gewandt “ganz toller Hund. Sehr schwierig. Aber ganz toll.” “Ju no, ei weik ab evvveri morning at feifsörti and go wis se dogs.” Die Engländer lächelten gequält und nickten. “Ei rrrekomend ju tu lörn se dscherman längwitsch. Ju are matsch more … welcomt if ju spihk dscherman wis se dschermens.” Wir bestiegen den Elliweiter und ich drückte schnell auf den EG-batten. “Ju no”, die Engländern nickten in Dauerschleife immer weiter, “wi häff only good parties hier in sis haus.” Der Engländer horchte auf. “Parties?” “NO, plihs, no loud parties hier! Sis propperti is kombeind wis bissness. Iff ju häff laut parties hier…” “Nein, ich glaube das war ein Missverständnis”, mischte ich mich ein. “Er hat Sie schon richtig verstanden. He means it’s a nice and quiet house.”
Alle drei schauten erschöpft. Wir schüttelten einander alle Hände und versprachen uns zu melden.
Herr Lohse blieb neben der Eingangstür stehen und winkte uns nach “Häff a neis day and a ..äh… come back!”
Der Engländer meinte trocken – “This was… very… educational.”
Irgendwie glaube ich nicht, dass die beiden Herrn Lohses nächste Mieter werden…