Die Freiheit der Verantwortung

Facebook ist ein schlimmer Zeitfresser. Manchmal verirre ich mich in Profilen und Gruppen und frage mich nach ein paar Minuten, wie ich nur dahin geraten bin. Aber manchmal stolpert man in den feeds anderer Leute auch über nette Dinge. Und manchmal sogar über Posts, die einen nachhaltig beeindrucken.

So las ich neulich bei einer Freundin ein Sprichwort, das wohl aus Polen kommt. (Wer’s besser weiß, immer raus damit.) Immer, wenn man sich bemüßigt fühle, die Situation zu retten, wenn man sich unwohl fühlt das Bedürfnis verspürt, irgendwie regulierend, ausgleichend eingreifen zu müssen, solle man sich stattdessen schlicht sagen: “Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen.”

     

Ich habe geschmunzelt und weitergescrollt. Bis ich mich wenige Tage später in einer Situation wiederfand, in der ich genau das Gefühl hatte. Ich wollte Harmonie herstellen, mich einbringen und anstrengen, dass die schlechte Stimmung nicht eskaliert und es zum Streit kommt. Und genau da fiel mir dieses Zitat wieder ein. “Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen.”

Ich tat also ganz genau – gar nichts. Ich zog mich zurück, hielt mich raus, fokussierte mich völlig auf mein Innenleben. Sorgte für mich. Hielt die schlechte Stimmung von mir ab. Fuhr die Schutzschilde hoch. Und siehe da – die Situation eskalierte nicht. Im Gegenteil. Weil ich mich konsequent weigerte, mich mit runterziehen zu lassen, verbesserte sich die Stimmung ganz von selbst wieder.

In diesem Zusammenhang ist mir eines bewusst geworden – ich kann nicht für das Glück anderer sorgen, ich bin mit mir selbst schon ausgelastet. Ich kann auch mein Kind nicht jeden Tag glücklich machen. Aber ich kann es durch mein Vorbild lehren, wie man von innen heraus einfach glücklich ist.

Diese Erkenntnis gärte ein paar Tage in mir. Es schien mir viel zu einfach, als dass ich da nicht hätte früher drauf kommen können. Aber seither hat sich vieles in meiner Haltung geändert. Ich bin nicht nur was meine Gefühle angeht mein ganz eigener Zirkusdirektor. Ich trage noch für viel mehr Verantwortung. Und während ich immer wieder auch von anderen Müttern höre “ich bin für alles alleine zuständig, an mir hängt der Haushalt, die Kinder rühren keinen Finger, ich muss mich um alles kümmern, mein Mann hält sich aus allem raus”, höre ich dabei vor allem – Verantwortung ist eine Belastung.

Es ist aber anders – wer für etwas verantwortlich ist, hat die Freiheit, es zu gestalten. Ich bin zum Beispiel für meinen Haushalt verantwortlich. Das heißt, ich führe ihn so, wie es mir gefällt. Ich dekoriere, ich koche, ich räume Schränke ein, um, auf, ganz allein wie es mir passt. Wenn ich der Meinung bin, dass wir das beste, köstlichste Frühstück mit frischem Obst und einem ausgedehnten Kaffee an einem Montagmorgen haben sollten, wer sollte mir vorschreiben, dass es so etwas nur sonntags gibt? Wenn ich der Meinung bin, dass ich jede Woche frische Blumen in allen Räumen verdient habe – dann kauf ich sie mir. Wobei eines wichtig ist: Diese Art von Freiheit ist eine Haltungssache und hat nichts mit finanziellen Mitteln zu tun. Es müssen keine Blumen vom Gärtner sein. Zurzeit explodiert die Natur, ein paar frische Zweige in hohe Gefäße verteilt kostet nur einen Spaziergang und ein bisschen Zeit.

Was wäre die Alternative? Wenn ich nicht ganz bewusst lebe, dann wird für mich gelebt. Der Wäscheberg wird überdimensional und erdrückt mich, am Ende wasche ich aus dem Zwang der leeren Schränke heraus. Es gibt zu essen, was eben noch da ist, weil ich nicht bewusst und mit Verstand eingekauft habe. (Oder noch schlimmer – das meiste verdirbt im Kühlschrank und muss weggeworfen werden.) Termine bekomme ich von außen aufs Auge gedrückt, ich gehe mit Menschen Kaffeetrinken, die mir nur von ihren Problemen erzählen und von mir hören wollen, dass ich alles gleich langweilig/anstrengend/belastend finde. Will ich das? Ganz sicher nicht. 

Stattdessen nehme ich die Verantwortung an und betrachte sie als großartige Möglichkeit, mich und meine Persönlichkeit auszuleben. Ich halte den Haushalt stets auf dem Laufenden (weil keiner im Dreck und im Chaos leben sollte, darunter erstickt auch die Lebensfreude), ich sage auch mal nein, wenn ich zu Treffen keine Lust habe. Und ich nehme meinen Alltag so in die Hand, dass er läuft, wie ICH es mir vorstelle.

Zur inneren Freiheit gehört übrigens auch, Entscheidungen für sich allein zu treffen. Und das ist so befreiend. Wenn draußen die Sonne vom Himmel knallt und alle, aber auch wirklich alle der Meinung sind, man müsse sich jetzt in den Garten setzen, gefälligst, ist mir das sowas von egal. Wenn mir der Sinn danach steht, meine Schränke auszumisten, dann mach ich das.

Ich habe noch nie so sehr das Gefühl gehabt, ich selbst zu sein, wie zur Zeit. Auch wenn der Spruch echt abgedroschen ist, es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Und wenn es mir gut geht, sorge ich automatisch dafür, dass es meinem Umfeld gut geht. Sollte euch also in Zukunft etwas auf den Magen schlagen, überlegt erst, ob es Euch überhaupt tangiert. Und wenn nicht – nicht mein Zirkus, nicht meine Affen. Es funktioniert!

Die wunderschönen Bilder sind in Kirchheim unter Teck entstanden. Wer ein Faible für Fachwerk hat, sollte der Stadt unbedingt einen Besuch abstatten!

Warum ich mein Pensum im Griff habe und nicht andersrum – Motivation ist eine Haltungsfrage!

“Wie machst du das eigentlich alles?”, fragte mich neulich eine Freundin mit ungläubigem Blick, als wir uns gegenseitig aus unserem Leben erzählten (Frauentagebuchgeplauder, Kinder, Küche, Hausarbeit, Arbeit, wer wann was mit wem, you know). Ich stutzte und dachte kurz nach. Dann sagte ich ihr: “Ich denke nicht, ich mache halt. Und zwar aus Prinzip gerne.” Dank meiner eigenen Motivation.

Die Antwort kam aus dem Bauch heraus und war absolut ehrlich. Aber sie hat mich selbst ein bisschen verblüfft. Denn tatsächlich liebe ich nichts mehr als Produktivität. Am liebsten sinke ich abends in die Kissen mit dem guten Gefühl, den Tag ausgekostet zu haben und Dinge erledigt, geschafft, erschaffen, gewuppt zu haben. Die Königsdisziplin dabei ist: Sich nicht stressen zu lassen. Auch das gelingt mir immer besser.

Ich habe daher beschlossen, das alles mal aufzuschreiben, vielleicht kann ja jemand da draußen einen Nutzen für sich draus ziehen.

1. Zeit sinnvoll nutzen und den Überblick behalten

Grundlage meines Tuns ist eine absolut realistische Zeitplanung. Ich weiß recht genau, wieviel Zeit ich für welches Projekt einplanen muss. Oft sind meine Tage ziemliche Punktlandungen, manchmal gelingt es mir aber auch, Puffer richtig einzuschätzen. An drei Tagen der Woche arbeite ich komplett. Diese Tage sind nur schwer kalkulierbar und ich nehme mir für die Abende nichts weiter vor, weil es grundsätzlich sieben wird, bis ich zu Hause bin, manchmal sitze ich aber auch bis 23 Uhr in der Redaktion, je nachdem, wieviel Abendtermine in der Woche anstehen und wie lange sie dauern.

Wenn ich einigermaßen früh daheim bin, erledige ich Wäsche. Nichts schreckt mich so sehr, wie ein überquellender Waschkorb. Deswegen nehme ich mir an solchen Tagen abends 10 bis 20 Minuten Zeit um eine Waschmaschine zu befüllen und anzustellen, auszuräumen, aufzuhängen, den Trockner auszuräumen etc. Da ich nicht selbst bügle, besteht die einzige logistische Herausforderung darin, die Bügelwäsche rechtzeitig aus dem Haus zu bringen und sie wieder abzuholen. Da ich aber täglich mit dem Auto unterwegs bin, erledige ich das quasi unterwegs. Genauso nebenbei gucke ich täglich mindestens zweimal in den Kühlschrank. Ich habe also ungefähr im Blick, wovon wir noch genug haben und was zur Neige geht. Ich erzähle unserer Alexa vom Notstand im Kühlschrank und sie notiert das brav. Ich könnte aber genau so gut einen Zettel vollschreiben. Wenn ich nach der Arbeit dazu komme, gehe ich Dienstags, Mittwochs oder Donnerstags einkaufen. Wenn nicht, nehme ich es mir für meine beiden freien Tage vor.

2.  Das große Ganze sehen

Ob freier Tag oder Arbeitstag – wer viel auf die Reihe bekommen möchte, muss in erster Linie wollen. Dabei hilft mir (und ich bin erst im Zuge des Grübelns nach dem Gespräch drauf gekommen, ich mache das quasi automatisch) in Bildern zu denken. Ich kenne nur wenige Frauen, die gerne putzen. Auch ich bin nicht unbedingt scharf darauf, an meinen beiden freien Tagen den Putzlappen zu schwingen. Aber kaum habe ich beispielsweise unser Bad betreten, sehe ich es vor meinem inneren Auge – blitzblank und aufgeräumt, einladend, ein richtiger Wellnessraum. Öffne ich die Augen wieder, sehe ich den Unterschied: Herumliegende Klamotten und Kalkränder. In dem Moment ist aber das Bild vor meinem inneren Auge die beste Motivation. Ich fange an zu putzen und weiß, spätestens eine Stunde später ist mein Traumbild Realität.

Das kann ich auf alle Bereiche des Haushalts ausdehnen: Ich habe nicht immer Lust zu kochen, manchmal fehlt mir auch schlicht die Idee. Sollte mir gar nichts einfallen, lasse ich mich im Supermarkt inspirieren. Oft kaufe ich ein Sammelsurium aus Gemüse ein, bis sich das Bild herauszukristallisieren beginnt: Ich sehe meine Familie am Tisch vereint, alle haben ein frischgekochtes und leckeres Essen vor sich. Und plötzlich habe ich nicht nur unbändige Lust zu kochen, die Zutaten fügen sich auch fast von selbst.

Im Prinzip entstehen so auch meine schönsten Geschichten: Ich habe ein Gegenüber vor mir und spüre im Lauf des Gesprächs den Klang, den diese Story hat. Noch während ich mit meinem Interviewpartner rede, beginne ich mich in den Text hineinzudenken. Ich stelle mir einfach vor, dass am Ende des Tages eine einfühlsame, treffende Geschichte steht. Und an diesem Ziel orientiere ich mich.

Diese drei Beispiele zeigen: Ich denke da nicht drüber nach, es ist ein Automatismus. So lange ich schon vor dem ersten Schritt sehen kann, wie das Ergebnis sein wird, so lange fällt es mir nicht schwer, den Weg bis dahin auch zu gehen. Konsequenz ist das Zauberwort.

All das funktioniert allerdings nicht ohne ein bisschen …

3. Disziplin und Fleiß

Wie ich vorhin schon sagte: Wer viel auf die Reihe bekommen will, muss es wollen. Nicht nur von all den Vorhaben sprechen. Am besten gar nicht viel sprechen, lieber machen. Die meisten Dinge sind nämlich schnell erledigt. Mal die Wohnung saugen: 20 Minuten. Die Spülmaschine ausräumen: 10 Minuten. Eine Ladung Wäsche aufhängen: 10 Minuten. Den Trockner ausräumen und Wäsche falten: 15 Minuten. In weniger als einer Stunde lässt sich so eine ordentliche Portion Hausarbeit erledigen. Der Trick dabei ist (neben dem großen Bild) jegliche Ablenkung beiseite zu legen. Kein Instagram, kein Whatsapp, Fernseher aus. Habe ich mal keine Lust auf das Pensum, wäge ich ab. Kann ich es tatsächlich ein bisschen schieben, dann gönne ich mir die Zeit. Aber meistens nehme ich mir einfach vor, es gerne zu tun. Und wie von alleine fängt es dann auch an zu laufen. Ich genieße es sehr, bei relativ einfachen Arbeiten die Gedanken schweifen zu lassen. Dabei lasse ich die Arbeit an sich nicht aus dem Blick: Ich weiß genau, dass mich schiefe Wäschestapel im Schrank nerven, also gebe ich mir beim Zusammenlegen Mühe. Und ehrlich: Ich freue mich beispielsweise jeden Tag über den Blick in meine wirklich ordentliche Wäscheschublade. Denn seid ehrlich:Wäsche schludrig zu falten und sie irgendwie in den Schrank zu stopfen nimmt nur unwesentlich weniger Zeit in Anspruch, als es ordentlich zu tun.

4. Ganz OK ist nicht gut genug

Und wenn ich nun schon Wäsche zusammenlege, dann mache ich es so gut ich kann. Schon aus Prinzip.(A propos Wäsche: Ich werde demnächst den Großteil meiner Wäschesammlung in den Altkleidercontainer bringen. Ich schreibe weiter unten noch, warum) (Ich habe übrigens gehört, dass es Menschen gibt, die ihre Wäsche einfach aus dem Trockner in die Schublade werfen. Diese Menschen und ich sprechen unterschiedliche Sprachen!)

Und im Übrigen: Dieses so-gut-ich-kann hat nichts mit Perfektionismus zu tun. Es ist eine Haltung allem gegenüber, was ich mache. Ganz oder gar nicht. Denn wem ist geholfen, wenn ich Dinge halbherzig erledige? Oft muss ich sie dann ein zweites Mal machen oder ich bin unzufrieden oder mein Chef ist unzufrieden (je nachdem worum es geht). Diese Haltung wirkt sich übrigens ganz konkret auf mein Leben aus: Ich habe nicht nur meinen Traumberuf wieder aufgenommen (und freue mich tatsächlich auch nach sieben Monaten noch jeden einzelnen Morgen wie bekloppt, wenn ich durch die Tür reinkomme), letzte Woche hat auch mein Chefchef völlig überraschend die Befristung meines Arbeitsverhältnisses aufgehoben. Er hätte damit noch fast anderthalb Jahre warten können.

Grundsätzlich glaube ich nicht, dass ich etwas kann, was sonst keiner kann. Ich bin aber überzeugt davon, dass viele unter ihren Möglichkeiten bleiben, weil es bequem ist, weil sie es schon immer so gemacht haben, weil Tante Frieda auch immer sagt, das macht man so, warum auch immer. Im Lauf der Jahre und mit zunehmendem Alter (husthust) habe ich aber auch immer mehr herausgefunden, wer ich bin und was ich will. Und ich werde dabei immer klarer. (Fast hätte ich kompromisslos geschrieben, aber das ist irgendwie negativ belegt, wenngleich es gut passt). Ich bin immer weniger gewillt, Abstriche zu machen. Sowohl bei meiner Arbeit, als auch bei den Dingen, mit denen ich mich umgebe. Um nochmal auf die Unterwäsche zurück zu kommen: Welche Frau kennt das nicht. Im Laden hat der BH noch gut gesessen und war bequem. Aber nach ein paar Tragestunden zwickt und rutscht er hier und dort. Und irgendwann landet er hinten in der Wäscheschublade. Bei mir hat sich da einiges angesammelt, denn ich habe mittlerweile einfach DIE Marke für mich entdeckt, die wunderschöne und zugleich perfekt sitzende Wäsche herstellt. Vom Rest werde ich mich leichten Herzens trennen. Und genau wie mit der Unterwäsche bin ich auch mit anderen Dingen. Das Leben ist zu kurz für schlechtes Essen, für ungesunde Beziehungen, für halbherzg erledigte Arbeit und – für kratzige BHs. 

Im Übrigen kann ich auch völlig entspannt schon nachmittags in einem Schaumbad versinken, ein gutes Buch mitnehmen und Wäscheberge ignorieren. Wenn ich nämlich spüre, dass ich die Auszeit brauche, nehme ich mir die Zeit. Auch das gehört dazu, kompromisslos auf sein Bauchgefühl zu hören. Aber selbst nach einem Winterspaziergang oder einem gemütlichen Bad ist der Tag noch immer lang genug für viele unterschiedliche Dinge. Die eigene Haltung ist der Schlüssel dazu.

 

Mütter – Helden mit sauren Haaren

Mama arbeitet Teilzeit. Klingt ein bisschen staubig. Deswegen sagen wir Frauen von heute, nachdem wir am Latte Macchiato genippt und bevor wir am Granatapfel-Macaron geknuspert haben ganz lässig “ich bin eine working mum”. Das hört sich verdammt nach Powerfrau an. Symbiose aus Mutter des Jahres und Karriere mit links.

Und wenn ich mir überlege, wie der Vormittag einer Working mum so aussieht, entsteht folgendes Bild vor meinem inneren Auge:

Es ist acht Uhr. Ich und mein gut gelauntes, munteres Vorzeigekind sitzen in der Küche. Selbige ist natürlich von mir am Vorabend nach 23 Uhr auf Hochglanz gebracht worden. Wir unterhalten uns über Jahreszeiten, über den Kindergarten oder über philosophische Fragen, die mein Kind gelegentlich in den Raum stellt. (“Warum hat der Trockner kein Fenster, die Waschmaschine aber schon?”)Wir löffeln unser vollwertiges und irrsinnig schön angerichtetes Müsli aus selbstgemachtem Joghurt (Thermomix, mach ich selber, geht ganz fix), frischen Früchten (hab ich heute morgen im Garten gepflückt, nachdem ich eine halbe Stunde den Sonnengruß neben den wilden Himbeeren praktiziert habe, entspannt so schön morgens um sechs) und selbstgebackenem Crunchygranola (das back ich immer selbst, man weiß dann wenigstens, was drin ist und meine Familie isst das so gern). Bevor ich den Löffel in das Kunstwerk stecke, halte ich den Anblick natürlich noch für meine Instagram-Crowd fest (#breakfastgoals #foodporn).

In die Kindergarten-Bentobox schnibble ich den Rest des frischgeernteten Obstes, während sich mein Kind selbstständig und freiwillg in genau die Klamotten hüllt, die wir gemeinsam am Abend vorher zu einem hübschen Kleidermännchen drapiert haben. Die Zähne sind natürlich schon geputzt, die Haare zu frechen Zöpfen gebunden und überhaupt – eigentlich muss ich nur noch meinen neuen Herbstmantel überwerfen, die Cabrioschlüssel vom Brett pflücken und los geht es. Für das Kind in einen erfüllten Kindergartentag, für mich in einen erfüllten Arbeitstag.

Und während ich so über hättekönntewäre nachgrüble, holt mich die Realität ein. Mit dem Blick auf die obere rechte Ecke des Handydisplays. Es ist zehn Minuten nach halb neun. Seit einer halben Stunde kauere ich mit angezogenen Beinen und im Schlafanzug auf dem Küchenstuhl. Bei einer Tasse Kaffee habe ich das Internet leergelesen, nachdem ich das nervende Pfeifen der Spülmaschine erfolgreich abgestellt hatte. Wieso ist es jetzt schon so spät? Ich lege das Handy weg und rufe zum dreizehnten Mal mein Kind. Aus dem Kinderzimmer dringt unwilliges Brummen, dem dumpfen Ton nach aus den Tiefen von zwei Schichten Decke und Kopfkissen. Es klang sehr wenig nach “ja Mama, ich komme gleich” und sehr viel nach “Quälerei! Kindergewerkschaft! Mittenindernacht!”.

Ich beschließe also, das vor sich hinweichende Müsli für das unwillige Kind allein zu lassen (Schokomüsli aus der Packung, ja gut, aber MÜSLI) und informiere den Deckenhaufen im Vorbeigehen, dass ich jetzt ins Bad und das unter Kuscheltieren begrabene  Kind dann eben alleine frühstücken müsse. Im Bad stoße ich auf einen Wäschehaufen, den ich seufzend in Richtung Waschkorb trage. Die rote Null auf der Waschmaschine möchte mir sagen, dass die nasse Wäsche gerne in den Trockner wechseln würde. Warum haben Waschmaschinen eigentlich Fenster und Displays? Ich lege die Schmutzwäsche zu ihresgleichen und beschließe, dass die nasse Wäsche ein bisschen warten kann, meine Dusche indes nicht.

Kaum stehe ich unter dem warmen Wasserstrahl, vernehme ich ein dumpfes Poltern aus der Küche. Der kleine Mensch scheint aufgestanden zu sein. Kurz versuche ich, mir keine Gedanken über die Ursache des scheppernden Geräuschs zu machen. Ein Marder auf dem Dachboden. Ein Erdbeben. Irgendwas belangloses. Jegliche Hoffnung auf ein gutes Ende wird durch ein langgezogenes “Maaamaaaa” jedoch im Keim erstickt. “Mein Müsli ist runtergefallen” ruft das Kind.

Ich spüle mir vor Begeisterung Shampoo ins rechte Auge und stolpere halbnass und heftig blinzelnd in die Küche, wo meine Tochter mit einem schiefen Grinsen und achselzuckend barfuß in einem Milchsee steht und gerade versucht, ein Stück Müslibrocken mit dem großen Zeh zu einem Fladen zu drücken. Unfreiwillig (weil impulsiv) ergeht eine gemäßigte Schimpfworttirade in der Küche nieder (man darf als Mutter ja nur Scheibenkleister sagen. Außer im Auto. Im Auto gelten andere Gesetze.) und ich hole einen Lappen, während ich das Kind nur mühsam davon abhalten kann, mit den nassen Milchfüßen über den Flurteppich zu laufen. Ich wische also Küchenboden auf und Kinderfüße ab und äußere zum wiederholten Mal die Bitte, sich anzuziehen. Meine Tochter verschränkt bockig die Arme und skandiert “ich. habe. aber. Hunger.” während ich anfange zu frieren. Kurz denke ich darüber nach, einfach wieder ins Bett zu gehen. Mit einem tiefen, bedauernden Seufzer begrabe ich den Gedanken. Dann bugsiere ich die Kleine in ihr Zimmer und werfe Socken und Unterwäsche aufs Bett. “Ich will nicht diese Unterhose” ist das letzte, was ich höre, bevor mein inneres Tsunamiwarnsystem die Melodie von Jeopardy abspielt. Das Wutgeheul ignorierend sorge ich für etwas räumlichen Abstand und ziehe ich mich an. Die Haare stehen mir sprichwörtlich zu Berge, da sie mittlerweile angetrocknet sind. Möglicherweise habe ich aber auch ein bisschen Müslimilch hineingeknetet. Die Uhr zeigt übrigens mittlerweile viertel nach neun. Kuriosität am Rande: Wenn ich mein Kind zur Eile mahne, passiert folgendes: Anweisungen wie “Zieh Dir bitte Deine Schuhe an”, die in Echtzeit in maximal zwei Minuten zu erledigen sind, nehmen allein durch den Hinweis, dass es eile, neue Dimensionen an. Klettverschlüsse machen Schuhe zu unüberwindbaren Hindernissen. Verrutschte Socken gar machen ein mehrmaliges An- und Ausziehen von Fußbekleidung unabdingbar.

Als wir im Kindergarten aufschlagen (“wo sind meine Schüssel? Wo ist Dene Jacke? Warum hast Du nur eine Socke an?”) , ist es kurz vor zehn. Die Erzieherin lächelt wissend. Sie weist mich freundlich darauf hin, dass ich meine Bluse falsch geknöpft habe. Dass wir den Kindergartenrucksack mit dem hastig in Stücke gehackten Apfel im Treppenhaus vergessen haben, tut nichts zur Sache – die übrigen Kinder haben alle schon gegessen.

Ich verabschiede mich schweißgebadet von meinem Kind, das sich bester Laune an den Maltisch setzt. Das letzte, was ihre höre, sind die Worte “… und dann hab ich nicht mal ein Müsli gegessen.”

Kinder. Quell der Freude.

Liebe Tochter, solltest Du all das in ein paar Jahren lesen, sei versichert – ich liebe Dich. Von ganzem Herzen. Nicht trotz allem, sondern wegen allem. Weil Du mein Leben zu dem machst, was es ist – manchmal chaotisch und voller Trubel. Aber immer lebenswert und reich. Du lehrst mich Geduld und Langmut, Vertrauen und Dankbarkeit. Und nicht zuletzt, dass Milch in Haaren nach ein paar Stunden einen säuerlichen Geruch verströmt. Aber das ist am Ende unwichtig.

Wie man’s macht …

In Zeiten, in denen Redakteure der Obrigkeitshörigkeit verdächtigt werden, in denen Begriffe wie Lügenpresse fallen, geben wir täglich unser Bestes, den Vorwürfen entgegenzutreten und es besser zu machen. Auch wenn es um banale Dinge geht.

Als ich im Mai angefangen habe, wieder zu arbeiten, ist mir irgendwie ein Thema in den Schoß gefallen. Es geht um einen Streit, der seit Monaten schwelt. Neulich ist ein großer Artikel von mir dazu erschienen, an dem ich tagelang gearbeitet und recherchiert habe. 

Heute morgen rief einer der Beteiligten an (der nicht im Artikel vorkam).

Sinngemäß lief das Gespräch ungefähr so:

Er: “Ihr Artikel war doof! Sie schreiben, dass das Gras grün ist! Wer hat Ihnen das gesagt?”

Ich: “Die zuständige Rasenbehörde!”

Er: “Ach. Und der glauben Sie?”

Ich: “Öh … ja, es ist eine Behörde, sie unterliegt dem Gesetz…”

Er (unterbricht micht): “Gesetze, ha, dass ich nicht lache, die Behörde hält sich doch nicht ans Gesetz! Grünes Gras! Ha! Und Sie glauben das! Sie haben sich das von denen ins Blatt diktieren lassen.”

Ich: “Was ich geschrieben habe, geht aus dem aktuellen Grasfarben-Gutachten hervor!”

Er: “Wo steht das?”

Ich (zitiere aus dem Gutachten): “… so ist abschließend festzustellen, dass das Gras grün ist.”

Er: “Grün! Das muss man doch interpretieren! Gemeint ist, das Gras kann alle Farben haben, aber grün ist die wahrscheinlichste! Verstehen Sie das nicht? Grün! Das hat sich Ihr Informant doch ausgedacht, der legt sich ja alles zurecht wie es ihm passt und beruft sich auf das Gutachten.”

Ich: “Das steht doch aber nicht da!”

Er: “Sie kennen sich in Sachen Grasfarben halt net so gut aus wie ich, ich bin da jetzt schon echt ein Fachmann.”

Ich: “Aber wenn da grün steht, der Fachmann bestätigt, dass da grün steht und ich schreibe, dass der Fachmann sagt, es sei grün … wo ist dann ihr Problem?”

Er (selbstsicher):  “Ich hatte gestern einen anderen Fachmann da. Der sagt, das Gras ist blau!”

Ich: “Oh. Blau? Können Sie das belegen?”

Er: “Ja natürlich, ich habe ein 1000-seitiges Gutachten!”

Ich: “Kann ich das haben?”

Er: “Ja natürlich. Nur ist der Drucker gerade ausgefallen. Aber dann dürfen Sie es durchblättern.”

Ich: “Ich werde es lesen, komplett. Und da steht drin, dass das Gras blau ist?”

Er: “Ich hatte ja nicht gesagt, dass es blau ist.”

ich: “NICHT?”

Er: “Es gibt ja auch sowas dazwischen. Wie … türkis.”

Ich: “Ja was denn jetzt?”

Er: “Ja wissen Sie, wenn viele Menschen zusammenarbeiten, versteht man schon mal was falsch. Und wenn Herr x Ihnen sagte, das Gras sei blau, dann meinte er eventuell auch türkis. Mehr so … grüntürkis. So wie ich das ja von Anfang an gesagt habe.”

Ich: “Sie haben doch vorhin noch …”

Er (redet einfach weiter): “Es war ja nicht alles falsch, was Sie geschrieben haben. Das türkis ist ja sehr grünlastig. Von weiter weg könnte man, bei flacher Sonneneinstrahlung und wenn die Venus im vierten Siloturm steht, auch meinen, es sei grün.”

ich: “Sie sagen jetzt also, das Gras ist grün?”

Er: “Sie verstehen das halt nicht. Es ist ja grün, natürlich ist es grün. So schlecht war Ihr Text ja nicht. Das sagte auch der Experte, der mein Gutachten geschrieben habe. Grün. Sage ich ja schon lange. Mir glaubt ja keiner.”

Ich: “…”

Insofern … morgen ist ein neuer Tag. Ich werde aufstehen und aus dem Fenster linsen und gespannt sein, welche Farbe mein Gras hat. Und morgen Abend verabschiede ich mich für zwei Wochen von Grasgutachtern und Farbwahrnehmungen. 😉

 

 

Pizza, Pasta, Klopapier – Dinge, die uns glücklich machen!

Hand hoch, wer hat schon mal im Restaurant einen Espresso aufs Haus bekommen? Kennt ihr? OK, und wer hat schon mal einen Grappa bei seinem Lieblingsitaliener nach dem Essen als nette Geste des Chefs serviert bekommen? Nix Ungewöhnliches?
Na schön. Dann jetzt die Einhunderttausend-Euro-Frage: Wer hat schon mal nach dem Genuss von Pizza und Pasta eine Rolle Klopapier mit nach Hause bekommen von der Chefin des Hauses? Na? NA?

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Warum ich keine lästigen Pflichten habe.

Ich saß gestern Abend in der Redaktion an meinem Schreibtisch, hatte rote Wangen und in meinem Kopf ratterte es. Den ganzen Nachmittag hatte ich telefonisch quer durch Behörden und Gerichte recherchiert, um ein möglichst aktuelles Bild eines aktuellen Rechtsstreits wiederzugeben. Mit dem Text, den zwei Kollgen gegengelesen hatten, war ich zufrieden. Runder würde ich ihn nicht hinkriegen. Allein der zweizeilige Vorspann wollte und wollte nicht gelingen. Zu wenig Platz, zu viele und komplizierte Worte, die Sachlage zu komplex. Ich schrieb und löschte, hirnte und verwarf.

Bis ich schließlich bei meinem Chef um kreativen Input bat. Und froh war, dass der auch keine perfekte Lösung mal eben so aus dem Ärmel schüttelte, sondern durchaus verstand, wo meine Schwierigkeiten lagen. Wir hirnten also zusammen. Und fanden schließlich eine Lösung, mit der wir beide zufrieden waren. Kurz danach stand der Verleger in der Redaktion und fragte nach einem Kollegen. Wir kamen ins Plaudern und er fragte mich, ob ich zufrieden sei und ob ich mich wohlfühlte. Als ich eine Weile später nach Hause fuhr und den Tag an mir vorbeiziehen ließ, fiel mir eines auf. Ich fühlte mich unfassbar zufrieden. „Warum ich keine lästigen Pflichten habe.“ weiterlesen

Working-mom-Studie: Das Märchen der Vereinbarkeit

Heute ist die Working-Mom-Studie veröffentlicht worden, nach der sich jede dritte Mutter trotz Partner als alleinerziehend wahrnimmt. Ich habe im Radio davon gehört, als ich – Achtung Klischee – in meiner Mittagspause unterwegs war zwischen Job und Supermarkt. Frauen würden sich entgegen besseren Wissens aufreiben, um möglichst an allen Fronten mehr als hundert Prozent Leistung zu bringen. Und sich dabei nicht nur selbst verlieren, sondern auch ein schlechtes Gewissen bekommen, weil sie keiner ihrer Aufgaben zu hundert Prozent gerecht würden.

Ich habe daraufhin eine Weile überlegt, wie ich das sehe. Das hörte sich in meinem Kopf ungefähr so an: „Working-mom-Studie: Das Märchen der Vereinbarkeit“ weiterlesen

Mehr Momentchen bitte!

Die dritte Arbeitswoche ist um. Es verging noch kein Tag, auf den ich mich nicht gefreut und den ich nicht am Abend im Rückblick als toll empfunden hätte. Ich habe neben ein paar anderen Dingen einen Monstertext fabriziert, den mein Lieblingskollege mit einem dicken “HÄ???” versehen, ihn aber insgeheim doch verstanden hat. Auch mein Chef, den ich ums Gegenlesen gebeten hatte, meinte grinsend, ich möge doch in Zukunft etwas anspruchsvollere Texte schreiben. Ironie aus Und dann hat schließlich noch ein Mann vom Fach einen Blick darauf geworfen und mir bestätigt, dass ich die durchaus komplizierte Sachlage “sehr gut auf den Punkt gebracht” hätte. Also kann man es wohl lassen. 

Und auch sonst lichtete sich das Chaos, das ich zu Beginn der Woche mit verschobenen Arbeitstagen und privaten Terminen selbst geschaffen hatte. „Mehr Momentchen bitte!“ weiterlesen

Zwei Überraschungen und die Crux des halben Tages

Mein Job hält oft Überraschungen bereit. Ein bisschen ist es wie in einem Krimi – die spannendste Wendung kommt erst am Schluss. Und so kommt es, dass wir in der Redaktion noch an einer fast fertigen Seite werkeln, wenn sich plötzlich etwas ergibt, das ein Umplanen erfordert. Eine solche Überraschung ist mir gestern vor die Füße gefallen. Wir hatten eine Frage von einem Leser bekommen, der etwas beobachtet hatte. Ich habe bei der entsprechenden Stelle nachgehakt und eine Antwort in hölzernem Behördendeutsch bekommen. Ich hätte mich fast damit zufrieden gegeben, mir aber dann überlegt, dass ich mit dem Begriff nicht wirklich etwas anfangen kann und unsere Leser dann vielleicht auch nicht. Und … „Zwei Überraschungen und die Crux des halben Tages“ weiterlesen

Danke, bitte, gut gemacht

Bei uns Schwaben gilt ja der Grundsatz “It gscholta isch gnuag globt”, was für den Rest der Welt übersetzt heißt “Nicht gescholten ist Lob genug”. Vielleicht entspricht es unserer kargen schwäbischen Seele, dass man nicht mehr Worte macht, als unbedingt nötig. Ich finde diese Mentalität leider grottig. Und so hatte ich heute ein Momentchen der besonderen Art. Ich war aufgrund von diversen* Fehldiagnosen** den ganzen Tag und über den Landkreis hinaus unterwegs, unser Auto wieder abzuholen und – weil Kühlschrank schon wieder leer, gefräßige Bande – kaufte in einem völlig fremden E-center ein. Ich flanierte durch aufgeräumte Regalreihen und staunte echt Bauklötzchen über die wunderhübsch angerichtete und fantastisch bestückte Gemüseauslage, ich fand das Vollsortiment verschiedener Lieblingsmarken und geriet so in Verzückung, dass mein Korb ruckzuck voll war. „Danke, bitte, gut gemacht“ weiterlesen