Ein leichtes, unmotiviertes Zucken rechts, Schweigen im Walde rechts. Mehr waren meine Scheibenwischer am Samstag nicht mehr willens zu leisten. Mal WIEDER.
Aber von Anfang an. Ich hab mich recht früh aus den Federn klingeln lassen, weil ich noch einkaufen und trotzdem pünktlich bei der lieben Jenny aufschlagen wollte – wenn wir uns doch schon so lange nicht gesehen haben. Ich flitze also relativ pünktlich los und ärgere mich das erste mal, als ich einer Schweizer Oldtimer-Ausfahrt mit 60 hinterhergurken muss. Wenn die eh nicht schneller fahren können, sollen sie doch in der Schweiz bleiben….
Irgendwann biegt die fröhliche Zuckeltruppe aber ab und ich komme meinem Ziel bedeutend schneller näher. Und hätte mich dann nicht die Fliege an der Wand, bzw. sprichwörtlich jene auf meiner Frontscheibe gestört, hätte ich den Schweibenwische nicht betätigt, hätte ich nicht festgestellt, dass dieser wieder einmal ein Eigenleben entwickelt, hätte ich nicht alle Eigentümer und Angestellten der örtlichen Autoreparatur-Einrichtungen kennen lernen müssen.
Ich wusste ja aber leider nicht, was ich mit dem leichten Zug am “bitte-wasch-die-Scheibe”-Hebel anrichten würde.
Zwar spritzte schaumige Flüssigkeit aus zwei Düsen wie durch Zauberhand in mein Blickfeld, das flotte “Wusch-susch” allerdings, das ich von meinen Scheibenwischern direkt danach erwartet hätte, blieb aus. Stattdessen “Bubbubbubbubbubbubb-knöööörz”. Meine Wischer ruckeln in Zeitlupentempo über die Scheibe. Der Fahrtwind malt mit dem Schaum lustige Kringel auf die Scheibe, meine Stirn faltet sich in höchst unlustige Streifen. Sofort habe ich die Stimme des Mechanikermeisters meines Vertrauens im Ohr, der letztes Mal sagte “Einfach mal aus- und anmachen, hilft oft.”
Relativ gelassen steure ich also den nächsten Parkplatz an und folge diesem Tipp. Auto aus, Auto an. Scheibenwischer an. “Bubbubbubbubbubb-knö…bubbubb….” nichts. Nichts. Die Scheibenwischer stehen senkrecht auf meiner Scheibe und bewegen sich rein gar nicht mehr. Auto aus, Auto an, diesmal mit weniger Hoffnung verbunden. Hebel hoch, Hebel runter, nichts. Ich steige aus, ziehe, zerre, bitte und fluche. Nichts. Wie festzementiert stehen beide Wischerblätter senkrecht und bewegen sich keinen Millimeter mehr. Nö.
Ich atme also einmal tief durch und rufe meine Werkstatt an. “Kommen Sie am Montag vorbei. Ach senkrecht stehen die? Ja, regnet es denn? Nein? Na dann… Mechaniker sind eh keine mehr da, ist ja schließlich Samstag umd halb zwölf.” Auf meinen Hinweis, dass ich aber, sollten die grauen Wolken die Menge an Wasser vom Himmel schütten, nach der sie aussehen, nicht weiterfahren kann und nicht willens bin, bis Montag in meinem Auto zu nächtigen, bekomme ich die Nummer von einem Autohaus mit Werkstatt am Ort. Und rufe dort an. Und bin froh zu hören, dass man auch dort, 50 Kilometer von zu Hause, auf den Kalender geschaut hat. “Es ist aber Samstag heute.” Ist nicht wahr. Mechaniker sind keine da, kommen Sie aber trotzdem mal vorbei. Ich ahnte eigentlich, dass der Weg vergebens ist, aber immerhin WOLLTE mir ja einer helfen. Ich fahre auf den Hof, Verkäufer in feinem Zwirn öffnet die Motorhaube, hm, ohje, alles verbaut, Scheibenwischer, aha-aha. Nein. Leider nichts zu machen. Ist ja halt auch Samstag. Man könne mir aber eine andere Werkstatt am Ort empfehlen, die müssten noch offen haben.
Mittlerweile ist Jenny, mit der ich zwischendurch telefoniert habe, auch im Autohaus angekommen. Wir fallen uns also dort um den Hals und die Blümchen werden zwischen Neu- und Gebrauchtwagen übergeben. Alles nicht so geplant. Aber gut. Eine richtige Werkstatt, so denke ich hoffnungsfroh, wird ja wohl auch richtige Mechaniker beschäftigen. Tut sie auch. Nur nicht, wenn ich sie brauche. Es ist ja Samstag übrigens. Als die Chefin hinter ihrem Tresen auftaucht und ich ihr mein Problem schildere und mit den Worten ende “… die müsste man jetzt wieder zum Laufen bringen” guckt sie mich an, als hätte ich ihr einen Heiratsantrag gemacht und sagt “…Jetzt???” Am liebsten hätte ich gesagt, nein, ich komme Mitte August wieder in der Hoffnung, dass sie es bis dahin geschafft haben, aber mir war nicht mehr zum Spaßen zumute. Vor allem nicht, als sie mir erklärte, warum sie das jetzt ihrem Mann nicht mehr zumuten könne. Die Mechaniker seien nämlich schon im Feierabend und überhaupt habe sie die ganze Woche bis abends um zehn arbeiten müssen. Sie wolle jetzt Wochenende machen.” Es lag mir auf der Zunge zu fragen, warum in aller Welt sie dann einen Dienstleistungsbetrieb aufgemacht habe, aber ich verkneife es mir. Immerhin schickt sie mich zu einem größeren Autoteile-Verkäufer am Ort. Und den kenne ich ja schließlich noch nicht, also was hält mich noch. Dort hört man sich mein Problem ebenso schweigend an und erklärt mir, man habe zwar Mechaniker da (nein!) obwohl es Samstag sei (NEIN!) aber man habe den Terminkalender schon voll. Tiefer Seufzer meinerseits. Also gut, man frage mal den Chef. Ich kann mein Glück kaum fassen. Ungefähr eine Minute lang. Dann kommt der nette Mann zurück mit den Worten “Der Chef sagt, wir haben das Teil nicht da.” Ich staune über die prophetische Gabe der Werkstatt, denn keiner hat sich mein Auto überhaupt angeguckt (könnte ja auch nur ein Schräubchen locker sein?!). Und beschließe, die Scheibenwischer jetzt einfach zu ignorieren. Der Himmel hat sich nämlich während der Wischer-Odyssee einsichtig gezeigt und die Wolken beiseite gepustet.
Mit unrythmisch zuckenden Scheibenwischern vor den Augen stelle ich das Auto also schließlich in ein Parkhaus und genieße danach einen großen Teller Nudeln (hilft immer), einen Erdbeershake, ganz viel Sonne, ein bisschen geocaching und die Gesellschaft von Jenny. Ich komme auch tatsächlich noch trocken nach Hause. Und beschließe, in meinem nächsten Leben mit Jenny eine Autowerkstatt aufzumachen, die ausdrücklich NUR SAMSTAGS UND SONNTAGS UND NACHTS geöffnet hat. Für all die armen Schweine, die am Samstag in der Servicewüste im Regen stehen.