Schubladen zu!

Wir Redakteure sind gehalten, allen Sachverhalten neutral gegenüber zu stehen. Wir werten nicht, wenn wir berichten, wir spiegeln die Tatsachen möglichst eins zu eins, suchen uns vertrauenswürdige Quellen und gleichen Schilderungen miteinander ab, um der Wahrheit auf die Schliche zu kommen. Das ist der Idealfall. Und trotzdem sind wir Menschen. Die über Dinge empört sind, die sich ärgern über andere. Und Menschen, die sich aus dem Gefühl heraus eine Meinung über andere bilden, ob wir das wollen oder nicht. Vielleicht sind wir sogar besonders empathisch, weil wir es jeden Tag mit Menschen zu tun haben, die entweder unbedingt in unsere Zeitung möchten oder eben lieber überhaupt nicht. Wir lesen unser Gegenüber und auch wenn wir uns an unsere Grundsätze halten, bleibt ein Gefühl, das er in uns auslöst.

Vor ein paar Tagen lief mir eine Geschichte über den Weg, die mich zum Nachdenken gebracht hat. Ein Gerücht zunächst, das sich im Laufe eines Vormittags als wahr herausstellte. Zwar nicht so blutrünstig, wie es erzählt wurde, aber doch so ähnlich. Ich klapperte verschiedene Informanten ab, fügte Puzzelteilchen zusammen, fragte hier nach, hakte dort nach. Anhand der Erzählungen schließlich hatte ich ein Bild des Hauptbeteiligten vorm inneren Auge, an dem es fast nichts zu zweifeln gab. Bis ich ihn anrief, um ihm selbst die Gelegenheit zu geben, sich zu äußern. Der Mann, den ich am Telefon erlebte, war ungefähr das Gegenteil von dem, was ich mir vorgestellt hatte.

Ich hatte das getan, was die meisten Menschen tun: Ich hatte eine Schublade gefunden, in die der fremde Mensch zu passen schien. Glücklicherweise hatte ich ihm die Möglichkeit eingeräumt, sich zu erklären.

Wenn ich diese Woche etwas gelernt habe (außer das mit der Rinderhaltung), dann auf alle Fälle, dass Vorurteile menschlich sind. Sich zunächst nur auf gesicherte Fakten zu verlassen und jedem Menschen offen zu begegnen, ist manchmal gar nicht so selbstverständlich. Aber wichtig. Nicht nur für Zeitungsleute.

Und sonst so? War die Woche irgendwie verdammt lang und anstrengend. Unvorhergesehene Termine, Tage, die früh anfangen und spät aufhören, Geschichten, die sich in die Länge ziehen, Gemeinderatssitzungen, Ortschaftsratssitzungen (man kann über 5 Tagesordnungspunkte über zwei Stunden sprechen!), 32 Arbeitsstunden in 3 Tagen. Trotzdem und immer noch: Ich habe den weltschönsten Beruf. Nicht trotz allem, sondern wegen allem.

Und die Weihnachtsgeschenkefront? Während ich letztes Jahr ungefähr am 1. Dezember fein säuberlich beschriftete Päckchen stapelte, hake ich heute immer noch to-buy-Listen ab. Merke: Eine Arbeitswoche verkürzt meinen Spielraum um 32 Stunden. Nicht immer, aber manchmal. Umso mehr sollte ich eigentlich zufrieden sein, dass niemand hier nackt ins Büro muss oder verhungert, dass irgendwie fast alle Weihnachtsgeschenke im Haus sind und dass bis Weihnachten ja auch noch 9 Tage Zeit ist. Ganz spontan habe ich mir übrigens überlegt, jemandem eine kleine Freude zu machen, der ganz sicher nicht damit rechnet: Jeden Abend in dieser Woche, an dem ich ermattet am Schreibtisch saß und in den Monitor hineinblinzelte, kam Rita vorbei. Rita ist die Reinigungsfee in der Redaktion, Mama zweier Mädchen und ein wunderbarer Mensch. Ich habe sie vom ersten Tag an ins Herz geschlossen, als sie mir kopfschüttelnd wie eine Mama eben meinen Mülleimer vor die Nase hielt mit den Worten: “Das muss besser werden, Sie müssen da ordentlich trennen!” (Ich hatte eine Plastikumverpackung in den Papierkorb getan!)

Weil ich sehe, wieviel sie leistet und ahne, dass sie auch nicht immer die Anerkennung dafür bekommt, die sie verdient, habe ich ihr ein klitzekleines Päckchen geschnürt. Einziges Risiko: Sie hasst Baden oder hat gar keine Badewanne. Aber das Risiko gehe ich ein in der Hoffnung, dass sie die Geste zu schätzen weiß. 

Wenn mich übrigens jemand fragen würde, was er mir zu Weihnachten schenken könnte, würde ich sagen: Rita. Aber mich fragt ja keiner. 🙂

Wie Looping Louie zu einem Berliner kam

Heute war ich Looping Louie. Kennt ihr den kleinen Kerl aus dem Brettspiel, der in einem Flugzeug hockt und immer wieder wegkatapultiert wird, bevor er landen kann? Der Tag war so randvoll gepackt mit “das noch” und “könntest du noch?” und “nicht vergessen”, dass ich mittendrin das dringende Bedürfnis hatte, mich unter den Schreibtisch zu setzen und am Daumen zu lutschen. Aus mehreren Gründen tat ich es nicht. Unter anderem, um meine Kollegen auch weiterhin in dem Glauben zu lassen, ich sei völlig normal. 🙂

Eigentlich begann der Tag ganz entspannt. Zwar verdammt früh für Redaktionsverhältnisse (8:30 Uhr!) aber entspannt. Und zwar vor Gericht. Nur soviel: Ich habe heute viel über Rinderhaltung gelernt, weiß, woran man in einer Kuhherde einen Kümmerer erkennt und wann ein Kalb vom Saugkalb zum Fresser wird. Auch deshalb liebeliebeliebe ich meinen Beruf so sehr.

Als ich dann in der Redaktion ankam, legte jemand den Hebel um und Looping Louie begann seine Runden zu drehen. Erst machte ich mich an den Gerichtsbericht, dann begann ich, Seitenlücken zu füllen, nahm gefühlt 384465 mal das Telefon ab, baute einen Aufmacher nochmal komplett um mit einem Text, der mich eine Stunde Zeit kostete, organisierte Termine von Kollegen, machte eigene aus, räumte das vollgelaufene Postfach auf, bekam Wind von einer großen Geschichte, sah zu, wie sie einen Anruf später zum Gerücht zerbröselte und baute schließlich nochmal alles um, weil ich noch etwas Wichtiges in die Finger bekam. Irgendwann war ich an dem Punkt angekommen, an dem ich neue do’s nur noch mit einem milden Lächeln auf die to-Liste schaufelte. Das mit dem Daumenlutschen war ja keine Option.

Als ich heute Abend nach acht immer noch in der Redaktion war, hatte ich noch ein ganz produktives Gespräch mit dem Chefchef. Allerdings sprudelte nichts Kreatives mehr aus mir heraus. Der Bauch war zu leer und der Kopf zu voll. Als ich das Auto schließlich in die Garage manövrierte, wurde mir bewusst, dass ich es ziemlich genau 12 Stunden vorher dort rückwärts ausgeparkt hatte und in diesen Tag gestartet bin. In einen Tag, der rückblickend nicht zu denen gehört, die ich zu den Top-Ten zählen würde. Eigentlich.

Denn gerade vorhin, als ich neben Hannah im Bett lag und ihre kleine warme Hand hielt, wurde mir etwas sehr bewusst: Der Tag war vollgepackt mit Aufgaben. Aber da waren Menschen um mich herum, die mir die Aufgaben zugewiesen, abgenommen, erledigen geholfen haben. Und je länger ich darüber nachdachte, desto mehr Momente fielen mir heuten ein, die wie kleine Sterne über den Tag verteilt zu leuchten begannen. Das nette Gespräch heute morgen mit dem Kollegen vom Mitbewerber, den ich wirklich mag, wenngleich wir unterschiedliche Chefs haben. Die liebe Mail von einem anderen Redakteur, der sich heute bedankt hat, weil ich ihm einen Packen Arbeit abgenommen habe. Der Kollege von schräg übern Gang, der heute mittag ohne Anlass eine große Tüte Berliner für alle mitbrachte und meine Lieblingskollegin gegenüber, die mich eine Weile durch den Bürobenjamini beobachtete bei meinem Kampf mit der quellenden Marmelade und dem bröselnden Zucker und schließlich kopfschüttelnd mit den Worten “ich hol dir jetzt ne Serviette” aufstand. (Man kann sich an Berlinermarmelade verschlucken, wenn man versucht, sie lachend zu inhalieren, nur so als Tipp) (Wer bitte kann Berliner würdevoll essen? Berliner sind die Döner der Gebäckabteilung!)

Ich hätte mich also heute Abend mit einem wenig eleganten Grunzen auf die Couch fallen lassen und mich darüber auslassen können, wie furchtbar mein Tag war. Hätte ich nicht ein Weilchen an meiner Perspektive geschraubt und mir die vielen schönen Augenblicke des Tages ganz bewusst gemacht. Unter die Top-Ten kommt er zwar immer noch nicht. Aber vom Schlusslicht ist er ganz weit abgerückt.

Und eigentlich ist dieses Ergebnis gar nicht überraschend. Denn im Grunde bin ich konditioniert darauf, aus schlechten Tagen gute zu machen. Auch mir wollen manche Dinge nicht immer so gelingen, wie ich sie geplant habe. Etwas kommt dazwischen, die Arbeit wird mehr, der Arbeitstag immer länger.

Aber all das sind Umstände. Und ganz ehrlich – wozu sollte ich Energie verpulvern für etwas, das ich nicht beeinflussen kann? Würde ich mich vor eine Mauer stellen und jammern, wenn ein paar Meter weiter eine offene Tür ist? Ich würde einfach ein paar Meter Umweg in Kauf nehmen und mich dorthin bewegen. Stillstand und Jammern machen die Umstände nur schlimmer. Ich kann die Gegebenheiten nicht immer ändern, wohl aber meine innere Haltung. Und die ist grundsätzlich positiv, bejahend und willensstark. Die Umstände mögen mir einreden wollen, der Tag würde mich die letzte Kraft kosten, der Haufen Arbeit nie kleiner und das Telefon gar nicht mehr stillstehen. Aber wenn die Umstände so sind, dann vertraue ich aus dem Bauch heraus darauf, dass ich Ihnen gewachsen bin. Und in dem Moment, in dem ich das tue, geben die meisten Umstände klein bei. Plötzlich kommt alles wieder ins Fließen und der Berg löst sich in Häkchen auf der Liste auf. Was ich meine: Fokussiert bleiben, das Pensum ignorieren, anfangen. Was ich nicht meine: Sich täglich selbst zu geißeln und ständig die eigenen Grenzen zu missachten. Wer sich ausbeutet auf Dauer wird das nicht lange schaffen. Sich Hilfe von Kollegen zu holen und die eigene Belastbarkeit zu kennen ist maßgeblich wichtig. Und trotzdem: Wer auf seine Fähigkeiten vertraut und weiß, dass er den Berg bewältigen wird, bevor er überhaupt erst angefangen hat, tut sich viel leichter mit dem ersten Schritt.

Am allerbesten funktioniert das mit dem Selbstvertrauen übrigens, wenn man Berlinermarmelade in den Nasenlöchern hat. Das ist aber kein Muss.

Winterwonderland, oder: Unser Sonntag mit Professor Donnerhagel

“Priiiimaaaa, das hast Du gut gemacht!” Diesen Satz hören wir in Dauerschleife. Er kommt von Professor Donnerhagel und der wiederum wohnt im Tiptoispiel “Die verrückte Wettermaschine”. Wir haben das Spiel als Dreingabe in meinem Lieblingsspielzeugladen geschenkt bekommen. Und so kommt es, dass Professor Donnerhagel auch diesen Sonntagnachmittag mit uns genossen hat. Sein PRIIIIIMAAA ist zwar ein bisschen nervig (nach einer Weile), aber dafür isst er uns schon kein Früchtebrot weg. Das stand nämlich heute nachmittag auf dem Tisch, als wir uns alle zusammen um den Ofen versammelt haben und uns ein bisschen vorkamen, wie eine skandinavische Familie direkt aus Lindgrens Fantasie.

Draußen fielen wahre Schneemassen vom Himmel. (Ich bin mir ziemlich sicher, dass Professor Donnerhagel seine Finger im Spiel hatte.) Heute morgen haben wir uns trotzdem zu einem der schönsten kleinen Weihnachtsmärkte aufgemacht. Im Hof der Ruine Hornstein gab es Holzarbeiten, Socken, Filzsachen, Töpferwaren, Seifen und allerhand anderes Kunsthandwerk zu kaufen. Ich habe mir eine wunderschöne, schlichte und große Schneeflocke aus Holz gekauft, die an unserem Fenster im Esszimmer baumelt.

Wir waren kaum im Auto, als die anfangs fusseligen Schneeflöckchen zu dicken Flocken anwuchsen und die Landschaft in Nullkommanix in eine weiße Winterdecke hüllten. An der Ruine angekommen mussten wir uns dick einmummeln. Ich hatte ständig Angst, dass mir jemand eine Karotte ins Gesicht drücken könnte, weil er mich für einen (schlanken, ey!) Schneemann hielt. Und rot war meine Nase nach kurzer Zeit sowieso.

 

Wir haben uns jetzt ein zweites Kerzlein angezündet und diskutieren noch ein bisschen, ob ich mich in die Küche verziehe oder ob wir jemand anderen kochen lassen für uns. Der Schnee hat sich nämlich mittlerweile in Regen und die Landschaft draußen in eine Matschwelt verwandelt.

Ich könnte ja mal den aufgedrehten Professor Donnerhagel bitten, seine seltsame Wettermaschine zu bemühen. Aber vermutlich hat der dann plötzlich keine Lust mehr. Kennt man ja. 

Lesen bildet! Meine liebsten Klassiker für Kleine und Große

Ich liebe diesen Moment des Tages: Meine Tochter kuschelt sich an meine rechte Schulter und schaut mit mir in das Buch, aus dem ich ihr vorlese. Aktuell liegen bei uns die Kinder aus Bullerbü auf dem Nachttisch. Während ich von Lasse und Bosse und den Mädchen erzählte, fiel mit plötzlich etwas ein: Madita war mein Lieblingsbuch als Kind, allerdings konnte ich das schon selbst lesen. Ich erzählte also Hannah von Madita und sie sagte: “Ich will die Geschichte auch hören!” Wir googelten also kurz nach dem Klassiker von Astrid Lindgren und wurden auch fündig. Aber als ich das Cover sah, wusste ich, dass genau dieses Buch noch irgendwo in einer Kiste auf dem Dachboden meiner Eltern liegen muss.

Zwei Tage später: Ich hatte mich bei meiner Mama angemeldet mit meinem Ansinnen, meine Bücherkisten durchstöbern zu wollen. Ihr könnt Euch vermutlich denken, was passiert ist. Irgendwann saß ich schmökernd inmitten meiner Kindheitserinnerungen. “Das hatte ich ja auch! Und dieses! Und Erich Kästner! Und Enid Blyton! Und JA ICH KOMM GLEICH, NUR NOCH DIESES EINE…” Ich bin mit einer großen Kiste Bücher nach Hause gekommen und suche seither verzweifelt einen freien Platz im Regal dafür und freue mich unendlich, meiner Tochter MEINE Bücher vorlesen zu können. Diese Erfahrung ist wirklich wunderschön und sehr besonders für mich.

Weil ich unmöglich alle Bücher mitnehmen konnte und sie für manche auch noch zu klein ist (aber ich bin mir sicher, dass sie alle spannenden Bücher von Enid Blyton so lieben wird wie ich! Geheimnis um … Tina und Tini … hach!), habe ich einfach eine Auswahl mitgebracht, die sich gut vorlesen lassen.

Zu meinen absolut liebsten Klassikern gehören alle Bücher von Astrid Lindgren. Allerdings ist die Sprache für heutige Kinderohren etwas antiquiert, aber ich erkläre dann eben beim Lesen, was Wäsche mangeln bedeutet, beispielsweise.

Bis wir Pippi Langstrumpf, die Abenteuer von Michel aus Lönneberga und Madita durchhaben, ist das Kind noch mal ein paar Monde älter. Vielleicht warten wir trotzdem mit Erich Kästner noch ein bisschen. Ich freue mich aber jetzt schon auf die Stunden mit dem doppelten Lottchen, Gullivers Reisen und dem fliegenden Klassenzimmer.

Ganz sicher noch zu klein ist die Maus für die Geschichten um Gretchen von Christine Nöstlinger. Ich erinnere mich gut daran, dass ich beim Lesen laut lachen musste und meine Mama oft schmunzelnd im Türrahmen auftauchte und guckte, was mich so amüsiert. Aber auch die werden sie garantiert mal begeistern. Ein bissche schade ist natürlich, dass die Rechtschreibung nicht mehr korrekt ist. Allerdings stört das beim Vorlesen zumindest nicht.

Und während ich mich so durch die Kisten stöberte, fand ich noch ganz andere Dinge. Die Bücher wurden nicht unbedingt nach Altersstufen, sondern nach Dicke und Größe in die Kisten gestapelt. Ein paar davon habe ich mit nach Hause genommen, weil man für Klassiker eigentlich nie zu alt oder zu jung sein kann.

Viele dieser Klassiker habe ich gelesen, nicht alle sind hohe Literatur. Aber für mich gibt es nichts Schöneres, als mich nach einer stressigen Woche in ein Schaumbad gleiten zu lassen und dabei ein Buch zu lesen, das mich die Hektik vergessen lässt und mich in eine andere Welt katapultiert. Ja, ich bade mit Sherlock Holmes. Kann ja auch nicht jeder von sich behaupten.

 

Einige der Bücher sind übrigens aus dem Jugendbestand meines Papas, also aus den Sechzigern. So praktisch ein E-Reader auch sein mag, für mich geht nichts über den Duft von altem, bedrucktem, vergilbtem Papier.

Kleiner Weihnachtstipp: Wenn ihr jemanden beschenken möchtet, der gerne liest, greift doch mal zu einem Klassiker. Bestsellerlisten rauf und runter kann ja jeder! Ich muss jetzt aber leider Schluss machen. Die Wanne ist voll. Ihr versteht schon.

This is California calling, California am Chiemsee!

Lieber Jack … oder John?

Deinen Namen habe ich im Eifer des Gefechts glatt vergessen. Du bist mir also auf die Schliche gekommen und weißt, dass ich von meinem Laptop aus die Weltherrschaft an mich reißen will. Mist. Wer hat Dir das nur verraten? Das Rumpelstilzchen?

Dein Anruf, lieber Jeff, hat mich heute mittag schon ein bisschen überrascht. Zunächst habe ich Dir auch zugehört, als Du mir erzähltest, Du seist ein Senior Technician calling from the Microsoft Headquarter in California. Ich hab schon so lange nicht mehr auf Englisch telefoniert. Ich hätte dich gerne gefragt, warum in aller Welt Du nur mit der Vorwahl von Prien am Chiemsee anrufst, aber dazu kam es nicht.

Es hätte mich schon stutzig machen können, dass Du fragtest, ob ich einen Computer besitze. Wäre ich nicht so gut erzogen worden, hätte ich da einfach nein gesagt. Aber ich bin bei der Wahrheit geblieben. Und so hast Du meine gesamten Geheimnisse aufgedeckt, nämlich dass ich zu einem internationalen Ring von Hackern gehöre, beziehungsweise, dass mein Rechner gehackt wurde von einem internationalen Ring von Betrügern, dass mein internationaler Rechner in Wahrheit ein Ring … ach, Du weißt schon. OK, jetzt weißt Du alles. Dass ich eben in ganz, ganz großen Schwierigkeiten stecke. “You’re computer is causing major, international problems on our severs, Madam!” hattest Du mir an den Kopf geworfen. Weil ich versucht habe, Dich abzuwimmeln und Dir immer wieder gesagt habe, dass ich Dich für einen Betrüger halte (Angriff ist die beste Verteidigung!), hast Du versucht, Dich über eine Nummer zu legitimieren, die beweisen sollte, dass Du wirklich von Microsoft anrufst. Wir haben das während Deines Anrufs kurz gecheckt – die Nummer ist bei allen Rechnern dieselbe. Nice try, Jonathan. Als Du dann aber immer penetranter wurdest (“who are you talking to in the background? YOUR HUSBAND???  Stop talking to your husband and listen carefully. Only do, what I tell you!”) und wolltest, dass ich den event-viewer bemühe, um Dir Zugang zu meinem Rechner zu geben (weil … ja warum eigentlich?) musste ich leider meine Kinderstube kurz vergessen und auflegen.

Weißt Du, James, wen ich in meinen Rechner lasse, entscheide ich. Ich habe den Betrugsversuch bei Microsoft gemeldet und mir dort bestätigen lassen, dass es keinen Support gibt, der aus California am Chiemsee anruft.

Und jetzt? Jetzt mache ich weiter mit dem, was ich schon vor deinem Anruf tun wollte – die Weltherrschaft an mich reißen.

So long Jack. John. Oder James.

(Passt gut auf Euch und Eure Datensicherheit auf. Die Nummer, die mich anrief, war 08085198136. Wenn ihr ähnliches erlebt, legt einfach auf und meldet es der Polizei. Offenbar fallen immer wieder Leute auf die Masche rein, der eigene PC wird gesperrt und nur gegen viel Geld wieder entsperrt, wenn überhaupt.)

Kurz(vor)schluss …

Wenn das Jahr sich dem Ende neigt, gerät mein Umfeld scheinbar in den Dauerlaufmodus. Plötzlich häufen sich die Termine, jeder Tag ist minutiös verplant. Man möchte sich nochmal mit lieben Freunden treffen (“das schaffen wir noch vor Weihnachten, oder?”), sämtliche Vereine und Verbände pressen die letzten Zusammenkünfte in die letzten acht Wochen des Jahres. Weihnachtsfeiern häufen sich. Dazu kommt, dass mein Madita-Gen durchbricht. Kennt ihr nicht? Ich habe das Buch von Astrid Lindgren früher geliebt und besonders fasziniert hat mich, dass die gesamte Familie vor Weihnachten nochmal alles gegeben hat. Da wurden Böden mit Sand gebohnert, Gardinen gewaschen, Teppiche ausgeklopft. Alles für Weihnachten.

Leider ist dieses Putzvorhaben mit meiner Realität ungefähr so vereinbar wie mein Plan, noch kommendes Jahr meinen Doktor in Nuklearmedizin zu machen.

Wo war ich? Ach so. Zeitmanagement um Weihnachten rum. Jeder will noch irgendwas, zerrt noch ein bisschen am Kalender, quetscht noch ein paar Termine zusammen. Will ich das? Manchmal kann ich nicht anders. Im Rückblick muss ich feststellen, dass ich beispielsweise diese Woche an zwei Abenden daheim war und jeweils um neun auf der Couch eingeschlafen bin. Ansonsten war Kindergartenbörsensitzung, Gemeinderatssitzung, Beiratssitzung, Geburtstag. Gestern haben wir einen wunderschönen kleinen Weihnachtsmarkt entdeckt in einem alten Bauernhaus. Es gab nur Handarbeiten aus Holz, Metall und Stoff oder Selbstgemachtes aus Kräutern. Dazu herrlich dicke, belgische Waffeln und duftenden Punsch. Und das allerbeste: Es war überschaubar und nicht überlaufen. Ein echter Winterzauber eben. Das Kind ist jetzt glückliche Besitzerin einer selbstgenähten Mütze. (Es sind Einhörner drauf, aber ich finde das fast schon unnötig zu erwähnen. WHAT ELSE!)

Heute morgen bin ich um halb zehn aufgewacht. Ich weiß gar nicht, wann ich zuletzt so lange geschlafen habe, aber offenbar war es notwendig. Und dann haben wir den Tag entspannt angehen lassen. Ich habe ein bisschen Schreibtischarbeit aufgeholt (jaja, aber entspannt und bei Kaffee!), wir haben gemütlich gekocht und gegessen und heute mittag haben die Kleine und ich vor dem warmen Ofen gesessen und mit Fimo gebastelt.

Damit es meinem Mann auch nicht langweilig wird, habe ich übrigens schwungvoll den Griff der Spülmaschine abgerissen und er beim Reparaturversuch die komplette Blende. Während ich also diese Zeilen tippe, behebt er in der Werkstatt den Schaden. Im Übrigen sah ich die Skepsis in seinen Augen was den schon etwas dürren Adventskranz angeht. Die Flamme der ersten Kerze näherte sich verdächtig schnell dem Grün. Kurzerhand habe ich alle vier Kerzen in eine zartsilberne Kastenbackform gegeben. Der Sicherheitsbeauftragte ist darüber sehr glücklich und ich bezeichne das einfach als reduziertes, nordisches Industrial-Design.

Wenn ich mir und Euch zum ersten Advent was wünschen darf – mehr Mut zum “nein danke”, wenn es um noch einen Termin und noch eine Einladung geht. Der Advent soll eine besinnliche Zeit sein und kein Endspurt.

Entspannte Grüße!

 

Gebt uns Bücher! (Und Kekse!)

Mein Beruf bringt mich öfter mal an den Rand meines Tellers und nötigt mich zum Blick nach draußen. Es hilft ungemein dabei, das eigene Glück und Wohlbefinden einschätzen zu können. Und auch die Umstände, in denen mein Kind aufwachsen kann.

Gestern war so ein Tag. Ich hatte einen Termin beim Schulamt, weil ich in den zurückliegenden Tagen und Wochen immer wieder über den Begriff Sprachförderung gestolpert bin. Ich las von notwendiger Sprachförderung an Grundschulen, lernte die Sprachförderbeauftragte unseres Kindergartens kennen, hörte im Kreistag vom eklatant gestiegenen Sprachförderbedarf.

Ich wollte dem also auf den Grund gehen und bekam nach ein bisschen Anlaufschwierigkeiten heute schließlich meinen Termin.

Was ich daraus mitnehme: Es gibt immer mehr Kinder, bei denen schon sehr früh Sprachschwierigkeiten erkannt werden. Grundsätzlich ist das eine gute Sache, denn je eher man den Missstand erkennt, desto besser und einfacher kann man ihn beheben. Andererseits muss diese Zunahme einen Grund haben. Die Fachleute vom Schulamt sagten mir, sie könnten nur mutmaßen.

Es gebe vermutlich viele Familien, die keinen echten Dialog mehr pflegen. Die nicht mehr miteinander am Tisch sitzen und einfach reden. Über den Tag, über die Geschehnisse, über den Kindergarten, den Joballtag, über den Weihnachtswunschzettel oder was auch immer.

Außerdem sei es nicht mehr üblich, dass Eltern ihren Kindern aus einem Buch vorlesen. Es gebe sogar Familien, die völlig ohne Bücher auskommen.

Ich dachte an unser Kinderzimmer und an das Bücherregal der kleinen Miss. Ich dachte an das zusätzliche Regal im Keller. Und dann dachte ich an meine kleine Bibliothek. Ein Leben ohne Bücher? Eine Leben ohne Vorlesen? Ohne Bilderbücher? Ohne Geschichten? Sowas geht? Ja, offenbar geht es. Und es führt womöglich dazu, dass Kinder in die Grundschule kommen und nicht verstehen, was die Lehrerin meint mit der Aufforderung „hol Dein Mäppchen aus deinem Ranzen“. Die Kinder hätten keine Sprachmuster und Schwierigkeiten, Zusammenhänge zu verstehen und sich selbst zu äußern. Dabei geht es im Übrigen nicht nur um Familien mit Migrationshintergrund, bei denen sprachliche Schwierigkeiten durchaus nachzuvollziehen sind.

Solche Gespräche machen mir sehr bewusst, welchen Weg ich gehen will. Und plötzlich war mir sonnenklar, was es für das Mädchen zu Weihnachten geben soll: Vorlesebücher!

Allein schon beim Betreten einer Buchhandlung erfasst mich dieses wohlige Gefühl. Es riecht nach Papier und Geschichten, nach spannenden Romanen, tragischen Helden und wunderschönen Illustrationen.

Und so wurde ich innerhalb von knapp zehn Minuten zweimal fündig:

Unterm Weihnachtsbaum liegen „Die Abenteuer des Ollie Glockenherz“ und „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“.

Während letzteres ein Klassiker von Michael Ende ist und in jedes Kinderbuchregal gehört (so man eines hat), ist Ollie Glockenherz eine Neuerscheinung. Das Hardcover ist im Sauerländer Verlag erschienen und handelt vom Königreich der Kuscheltiere. Ein kleiner Hasenbär geht verloren, und sein Besitzer, der kleine Billy, macht sich auf eine abenteuerliche Suche nach seinem liebsten Freund. „Noch nie war ein Junge so mutig, ein Hasenbär so tapfer und eine Rettungsmission so spannend“, sagt der Verlag.

Ich bin schon sehr aufs Vorlesen gespannt, muss aber leider bis nach Weihnachten warten. (Es sei denn, ich schmökere ein bisschen vor … )

Und noch besser als reines Vorlesen ist Vorlesen und dabei Kekse naschen. Die Sterne mit Schokoguss sind normale Mürbeteigplätzchen. Die anderen sind ausgesprochen leckere Kaffeekekse. 

Zumindest aber eines ist klar: Solche Blogposts übers Lesen, Sprechen und Schreiben gehen nur noch so lange gut, bis das Mädchen Mamas Blog entdeckt und lesen kann. Aber irgendwie ist ja genau das der Plan. Und gut so, wie es ist.

 

Yvi von mamasdaily.net hat zu einer Blitzblogparade aufgerufen, in der es um Weihnachtsgeschenke für Kinder geht. Hier geht’s zum Blog. 

Ich bin mit diesem Beitrag gerne dabei!

Ach inneres Ich, Du machst das schon …

Hätte ich vor 18 Jahren mein inneres ich von heute gekannt, wäre mir so manch schlaflose Nacht erspart geblieben. Ich hätte Tage wie den heutigen nicht unausgeschlafen begonnen, hätte mich nicht mit Herzklopfen ans Werk gemacht, mich für feuchte Hände und rote Flecken im Gesicht geschämt. Und ständig befürchtet, komplett zu versagen. Hätte ich gewusst, was ich heute weiß.

Ich wusste es aber nicht. Und so haben mich Termine wie den heutigen vor 18, vielleicht auch noch vor 15 Jahren schon im Vorfeld sehr beschäftigt. Dabei war die Aufgabe von heute beileibe keine Unlösbare. Dennoch: Sie bestand aus Elementen, die früher dafür gesorgt hätten, dass ich dem Tag mit Skepsis und Respekt entgegensehe. 

Heute – war ich gelassen. Und erinnerte mich mit Schmunzeln während meiner gut einstündigen Autofahrt an mein unsicheres ich zu Beginn meines Volontariats, dem honorige Anzugträger mehr Respekt einflößten als Uniformierte. Was, wenn ich Namen verwechselte? Was, wenn ich den Tagungsort nicht fand? Was, wenn ich zu spät käme? Was, wenn ich nichts vom Gesagten richtig einordnen oder verstehen könnte? 

Es mag die Lebenserfahrung und die Berufserfahrung sein. Vermutlich beides. Zumindest ist es das Alter. Heute, mit *hust*unddreißig, werde ich anders behandelt als mit 19. Damals meinte ich zumindest die Zweifel zu spüren, die mein Gesprächspartner an meiner Kompetenz haben könnte. Ich war die kleine Brünette (mit den Flecken im Gesicht, jaja), die ein bisschen stammelt und vor lauter fast vergisst, wie sie heißt. 

Gut. An meiner Körpergröße hat sich nichts mehr geändert. Wohl aber an der Höhe meiner Absätze. Am Druck meiner Rechten und an den Flecken, die keinen Grund mehr haben, sichtbar zu werden. Heute bin ich zu meinem Termin gerauscht, war pünktlich,  habe mich wirklich nett mit den Kollegen anderer Zeitungshäuser unterhalten, viele Hände geschüttelt (auch Feuchte), fleckenlos zugehört, mitgeschrieben und gut. Es ist das Wissen um mein eigenes Wissen. Das Vertrauen in meine Fähigkeiten und in die Tatsache, dass andere auch nur mit Wasser kochen. Das kann man mit 19 nicht haben, aber man kann im Rückblick darüber schmunzeln. 

Ho ho ho! Der Nikolaus steht vor der Tür!

Diese Socken. Jeden Tag, wenn ich Hannah in den Kindergarten bringe, sehe ich sie. Es werden täglich mehr. Die Nikolaus-Socken, die der Nikolaus (genau!) am 6. Dezember für die Kinder füllt. Nachdem ich beim Suchen nach unserer Nikolaussocke von letztem Jahr erfolgreich alle Osterkörbchen, Nestchen und Häschen gefunden habe aber leider nichts, was nach Weihnachten ausschaut, habe ich heute morgen eine neue “Socke” gekauft. Eigentlich ist das der falsche Begriff, es sei denn, man geht davon aus, dass Nikolaus Schuhgröße 56 trägt. Das kann natürlich sein.

Zumindest kann das arme Kind jetzt seine Socke an die Leine zu den anderen hängen und ich werde nicht jeden morgen daran erinnert, dass fast ALLE Mütter schon ihre Nikolaussocken abgegeben haben, nur ich nicht. Unsere ist übrigens grün. Und fällt in dem ganzen roten Einerlei wenigstens auf.

Während es im Kindi also Nüsse, einen Schokonikolaus, Äpfel und Mandarinen gibt, überschlagen sich die Spielwarengeschäfte derzeit mit nikolausgemünzter Werbung. Ich persönlich finde nicht, dass der 6. Dezmber geschenketechnisch ein vorgezogenes Weihnachten sein sollte. Hannah hatte sowieso erst Geburtstag. Und so grübelte ich heute Nacht, als ich ab 2.21 Uhr schlaflos im Bett lag, was der Nikolaus wohl in Hannahs ganz privaten, familieninternen Stiefel steckt. (Bei uns trägt der Nikolaus Pumpsgröße 37, aber pssst!). 

Ich dachte an die roten Nikolaussocken im Kindi. Und an unsere Grüne. Es sollte nicht unbedingt Spielzeug sein. Auch Bücher hat sie erst bekommen. Im Halbschlaf hatte ich schließlich die Erkenntnis – Socken! (Es ist ja so naheliegend). Ich kaufte also gleich heute ein paar Paar Socken (rote und grüne, what else) und eine Strumpfhose. Ein kleiner Schokonikolaus wird natürlich auch dazugesteckt.

Früher, also FRÜÜÜHER, zu meiner Zeit, damals, vor 100 Jahre noch, als ich täglich 20 Kilometer zum Kindergarten zu Fuß gehen musste (äh…) gab es quasi nichts zum Nikolaus. Ein bisschen Schokolade und Mandarinen. Vielleicht erinnere ich mich aber auch nicht mehr so ganz genau daran.

A propos entspannt – gestern waren wir alle zusammen auf dem Stuttgarter Messeherbst. Mit “alle zusammen” meine ich uns drei und die übrigen knapp 80 Millionen Deutsche. Gefühlt zumindest. Zwischen Parmaschinken, Hundekörbchen, Staubsauger und Bastelpapier tat ich die eine oder andere Nettigkeit auf, kaufte Washi-Tape (zeig ich Euch ein anderes Mal) und Aufkleber und einen Stanzer. Mein persönliches Highlight war die “Cake it!”, bei der ich silberne Zuckerperlen erstand. Hätten nicht besagte 80 Millionen Menschen dieselbe Idee gehabt wie wir, hätte ich sicher noch mehr … nützliche Dinge gekauft. Denn auch bei uns hat das Messesyndrom (Messe, nicht Messie!) zugeschlagen – man kauft auf Messen Dinge, die kein Mensch braucht. So sind wir seit gestern stolze Besitzer eines Chipsmakers. Nie wieder gekaufte Chips! Man braucht nur Kartoffeln, einen Hobel, eine Mikrowelle, Gewürze, Zeit und Geduld. Und darf nicht VIEL Hunger auf Chips haben. Und es nicht SEHR eilig haben. Eine absolute Weltsensation also. Wir haben ihn gleich gestern getestet. Ich erwähne das extra, weil es das erste und letzte Mal gleichzeitig gewesen sein KÖNNTE. Stay tuned!

Als wir uns der ganze Trubel schließlich ausspuckte und wir wieder in unserem verschneiten Zuhause angekommen waren, hatte ich nach all der Torten-Kuchen-Inspiration Lust, meine Kekse vom Samstag zu verzieren. Und so endete der Abend gestern in der Küche, wo ich mit Hannah meditativ Zuckerperlen in roten Guss drückte und nebenbei Bibi und Tina lauschte. Da kann kein Tatort mithalten. 🙂

 

Boss for one day – everyday

Gestern war ich Chef. Der running gag vom Vortag (echter Chef und drei Kollegen weg, ich allein mit einer Kollegin eines anderen Ressorts, dem Volontär und dem Praktikant = “Morgen ist Nicole der Chef”) hat mich zum Nachdenken gebracht. Bevor ein falscher Eindruck entsteht – ich habe niemanden herumkommandiert, ich hatte keine Peitsche in der Tasche stecken und mir keinen Kaffee bringen lassen. Ich war einfach den ganzenTag als Ansprechpartner gefordert, habe Texte gegengelesen, eigene geschrieben, den Praktikanten zu einem Pressegespräch mitgenommen usw.

Um möglichst seriös wahrgenommen zu werden, habe ich gestern Morgen zu schwarz gegriffen. Schwarze Lederhose, schwarzer Blazer. Ich fühlte mich wohl in der Nichtfarbe und schrieb flapsig in meinen Instagramstatus “Boss for one day”. Viele Kollegen anderer Abteilungen dürften sich gewundert haben. 🙂

Je länger mir diese Formulierung im Kopf herum ging, desto mehr musste ich schmunzeln. Klar, in der Redaktion habe ich sonst nix zu sagen. Ich sage, was ich meine, aber weisungsbefugt bin ich nicht. Das ist völlig in Ordnung.

Aber Zuhause bin ich natürlich jeden Tag der Boss. Und in diesem Zusammenhang ist mir der Artikel von David Eberhard eingefallen, den ich neulich in der Zeit gelesen habe. Er ist überzeugt davon, dass viele Eltern heutzutage Rotzlöffel heranziehen, weil sie ihre Autorität nicht wahrnehmen.

Er schreibt in dem Interview:

Eltern glauben, beste Freunde ihres Kindes sein zu müssen. Sie wagen nicht, ihm zu widersprechen.

Mich wundert das zutiefst. Nicht, weil ich das Phänomenn nicht kenne oder in meinem Umfeld schon beobachtet habe. Sondern weil ich es überhaupt nicht nachvollziehen kann. Womöglich oute ich mich als strenge Mutter, aber es gibt bei uns eine klarer Hierarchie. Erziehung findet liebevoll und mit Augenmaß statt (sieht man einmal davon ab, dass ich schon auch mal im ersten Affekt deutlich sagen kann, was ich nicht in Ordnung finde), aber sie folgt einem Gefüge von oben nach unten. Ich lasse meine Tochter dabei nicht im Dunkeln tappen, was sie falsch gemacht hat. Ich formuliere es so, dass eine Fünfjährige begreifen kann, was gut und was nicht gut ist. Und im Zweifelsfall folgen Konsequenzen.

Beispiel? Neulich hat das Kind bei einer Sammelpunkteaktion eines Supermarkts etliche Schleichtiere bekommen. Man konnte sie dank der gesammelten Punkte günstig kaufen. Gemeinsam mit der Oma ist das Kind unzählige Male dorthin gegangen, um sich ein Tier auszusuchen. Weil es den Pandabären aber nicht mehr gab, habe ich den im Spielwarenladen gekauft. Als Belohnung, weil sie etwas anderes ganz souverän und gut gemacht hat. Die Freude war groß.

Vor zwei Tagen habe ich allerdings entdeckt, dass das Kind die Tiere mit einem blauen Stift bemalt hat. Alle, rundherum. Nun ist das nicht unbedingt dramatisch, möchte man denken. Mich hat es aber geärgert, weil sich die halbe Familie ins Zeug gelegt hat, die begehrten und viel bespielten Tiere zu besorgen und ich der Meinung bin, dass es genug Papier im Haus gibt, auf dem sie sich künstlerisch austoben kann. Ich habe ihr also gesagt, dass ich es ziemlich blöd finde, wenn sie alles anmalt. Und weil der Protest nicht aufgehört hat, habe ich die Schleichtiere konfisziert. Sie werden ein paar Tage oder Wochen von der Spielfläche verschwunden bleiben. Natürlich war das Geschrei groß, aber – oh Wunder – mein Mädchen kam ein paar Stunden später auf meinen Schoß gekrabbelt und sagte, dass sie die bemalten Tiere auch doof findet. Sie erklärte mir, in welchem Zusammenhang sie die Tiere angemalt hatte (aus einem ausgedachten Spiel heraus), hat sich entschuldigt und versprochen, künftig die Stifte nur auf Papier zu benutzen. Für mich war damit ein Denk- und Lernprozess erkennbar. Natürlich bekommt sie ihre Tiere wieder.

Ich habe also gewagt, meinem Kind zu widersprechen. Und ich tue es gefühlt 3947 mal täglich. Schuhe gehören nicht auf den Sitz, Füße nicht auf den Tisch, man isst nicht mit den Fingern, man nimmt am Buffet nicht riesige Mengen, um nachher das meiste stehen zu lassen … all diese Kleinigkeiten sind für mich selbstverständlich. Ich möchte, dass sie für meine Tochter genau so selbstverständlich werden und dafür erkläre ich es ihr.

David formuliert es so:

Die Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern ist immer asymmetrisch. Es ist die Beziehung von Meister und Schüler. Der eine unterrichtet, der andere hört zu. Die Eltern können Dinge besser einschätzen, weil sie mehr Erfahrung haben, mehr wissen. Sie sollten die Regeln machen.

Bevor ihr jetzt aber denkt, ich führe hier ein strenges Kommando – das ist überhaupt nicht so. In diesem Haus wird vermutlich mehr geblödelt und gelacht als in so manch anderem. Ich bin selbst ein großes Kind in vielen Dingen und begreife meine Tochter viel mehr aus dem Bauch heraus als mit dem Verstand. Aber wenn es um die Spielregeln geht, dann ist klar: Die machen die Großen.

Boss for one day – everyday. 🙂

Wie läuft das bei Euch?