Die Großwetterlage…

…am Nachrichtenhimmel: Teilweise leicht bewölkt, teilweise schwere Gewitter mit Orkanböen. Dazwischen sonnige Abschnitte.
Will sagen – der tägliche Blick in irgendein Medium zeigt einen bunten Mix aus Informationen, die für mich interessant und wichtig sind, aber auch den vielzitierten Sack Reis. Auf Deutschland bezogen ist das Thema des Tages noch immer Hochwasser, auch wenn hier der Spannungspegel so langsam fällt. Sandsäcke, Feuerwehrleute, Rettungsdienst, Evakuierte im Schlauchboot oder auf Schuppendächern, ungläubige Hochwassertouris – die Bilder ähneln sich. Sonst noch? Deutschland hat gegen die USA im Fußball verloren. Leute, die sich mit sowas auskennen, meinen “blamabel verloren”. Das längste Wort der deutschen Sprache gibt’s nicht mehr. Was natürlich nicht heißt, dass man es nicht mehr benutzen darf. Ich gehöre ja eher der “rettet die schönen Worte”-Fraktion an, aber ich muss gestehen, auch mir dürfte es schwer fallen, den Begriff “Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz” in meinen täglichen Sprachgebrauch zu integrieren. Und so schön isses wieder nicht. Was noch? Let’s dance hat einen neuen Star hervor gebracht. Er heißt Manuel irgendwie, den Rest hab ich wieder vergessen. Ich las von einer Demo von Parkschützern in der Türkei, die blutig aufgelöst wurde – S21 wird wohl bald zum Synonym für einen behördlichen und staatlichen Umgang mit Menschen, der mit Demokratie wenig zu tun hat. Die USA sind weiter windgebeutelt, auch hier macht die Natur was sie will. Ich habe sicher noch mehr gelesen und gehört heute morgen, aber ich erinnere mich spontan nicht mehr daran. Und genau darüber grüble ich seit ich auf bin nach – über meinen eigenen, subfontanellen Info-Filter. Ich konsumiere Medien auf vielfältige Art und Weise. News-Seiten im Internet, Radio, facebook-posts und tweets. Nicht zuletzt Tageszeitung. Die allerdings meist als letztes, weil mich der Rest der Welt schon vor dem Aufstehen im Bett erreicht. War die Welt einfacher, als die Menschen in erster Linie sich, ihre Familie und ihr Dorf hatten? Wer hat wem im abgelegensten Dorf erzählt, dass Krieg ausgebrochen ist? Gäbe es ein Wettrüsten, wenn Nord- und Südkorea nichts voneinander wüssten? Es ist natürlich utopisch, über eine Welt ohne Nachrichten nachzudenken. Aber was muss mein armes Hirn am hellen Morgen schon verarbeiten? Ich bin beim ersten Kaffee schon vollumfänglich informiert über das Leben ganz wo anders. Dass Angelina Jolie den ersten Auftritt nach Brustentfernung hatte, dass ein Wikileaks-Helfer mit der Todesstrafe rechnen muss. Dass bei Amazon zum dritten Mal gestreikt wird. Früher gab’s Müsli und Kaffee zum Frühstück, heute Massenaufstände und Krisen. Das Fatale: Nachrichten machen süchtig. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich die Großwetterlage des Nachrichtenhimmels beobachte, als könnte jede Minute etwas passiert sein, was mein Leben unmittelbar ändert. Fragt mich aber morgen nochmal jemand nach den gestrigen News – ich fürchte, mein Hirn hat über Nacht wieder großreine gemacht und ich habe das meiste vergessen. Das mit dem Rindfleisch-Wort zum Beispiel. Oder diesen Dancing-Manuel. Manchmal tut es einfach gut, abzuschalten. Und noch kann ich das. Habe ich gestern gemerkt. Wir haben einen Familienausflug zur Landesgartenschau gemacht. Ich hatte den Auftrag, für einen Artikel ein Bild einer der zahlreichen Attraktionen für Kinder zu machen. Die Sonne schien, die Schau war voller Familien. Ich machte Bilder. Von Blumen, vom Schloss, von Gärten, von Brücken und von uns. Auf keinem einzigen Bild ist ein Kind drauf. Ich habe es schlicht vergessen. Das mit dem Abschalten muss ich noch üben. Aber jetzt geh ich erstmal Nachrichten gucken.

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