Liebes Leben,
man merkt deutlich, dass Magazinjournalismus ganz anders funktioniert, als Tagespresse. Man ist viel enger mit der Industrie verbunden, als einem manchmal lieb ist. Aber es hat auch seine angenehmen Seiten. Heute war ich mit meiner Kollegin auf der Pressekonferenz eines Herstellers, der Dinge produziert, die jeder täglich benutzt – um es mal nicht ganz so direkt zu sagen.
Weil wir uns sein neues Produkt vorstellen ließen und der einstündige Pressekonferenz brav beiwohnten, gab es im Anschluss für jeden eine Tüte – darin so ziemlich das gesamte Produktsortiment . Geschenkt. Im Anschluss daran war ein medizinisches Symposium, an dessen Ende man – richtig – wieder etwas geschenkt bekam. Zwischendrin waren wir zwei Stunden in der Stadt bummeln und haben die Lachs-Kaviar-Carpaccio-Quiche-Lorraine-Häppchen verdaut… und ein bisschen ein schlechtes Gewissen ob dieser Dekadenz bekommen. Auf dem Heimweg hatten wir dann ein Gespräch über die Käuflichkeit der Presse. Wir sind zu dem Schluss gekommen, in seiner Meinung über diese oder jene Firma letztlich völlig frei zu sein. Egal, wieviele Tüten man vorher mitbekommt. Manchmal hinterlässt so ein überreiches Beschenktwerden nämlich auch einen viel schaleren Beigeschmack als ein simpler, ehrlicher Händedruck und eine Tasse Kaffee – was völlig genügen würde. Man ist nämlich dann beim Schreiben noch mehr darauf bedacht, nicht zu positiv zu schreiben, um nicht den Eindruck zu erwecken, von den Give-aways beeindruckt zu sein. Und wenn wir die Tüten nicht nehmen, dann bekommt sie jemand anders, der es genauso wenig verdient hat, wie wir. Offenbar läuft das Geschäft so.