Mein Rhabarbertrauma – kein Ende in Sicht

“Manchmal sind die DInge gar nicht so, wie man sich’s vorgestellt hat, sondern besser.” Eigentlich sollte der heutige Blogeintrag so anfangen. Tut er aber nicht. Denn manchmal sind die Dinge halt so, wie man es befürchtet hat oder noch ein bisschen schlimmer. Ein bisschen sehr. Bevor ich jetzt gaaanz weit aushole und Euch in einen Urlaub in die Achtziger mitnehme, sei verraten – es geht ums Essen. Ums Essen (oder Nichtessen) von Rhabarber.

Wir schreiben die frühen Achtziger, Frau Venus war damals noch ein Pimpf und mit den Eltern im Urlaub irgendwo im nirgendwo. Wir waren wohl auf einem Ausflug und es war Sonntag. So waren meine Eltern einigermaßen ratlos, als ich unterwegs plötzlich Hunger anmeldete. Da in den Achtzigern sonntags die Bäckereien noch geschlossen hatten (und es deswegen bei uns immer Toast zum Frühstück gab, weswegen ich mir in einem Anflug von Melancholie Jahrzehnte später einen Toaster gekauft hatte, der seither seiner Verschrottung entgegenstaubt), war mein Vater wohl ganz glücklich, dass wir an einem Kuchenverkaufsstand vorbei kamen. Dort stand schon eine Schlange von Leuten und wir (meine Mama und ich) mampften kurze Zeit später auf einer Bank sitzend mit Hochgenuss noch warmen Rhabarberkuchen. Der Hochgenuss hielt nicht lange. Denn in der selben Nacht war es wieder mein Vater, der gefragt war, nur leider wurde er von einem Bett zum anderen gerufen und eilte mit einem Eimer und guten Worten hin und her … Und ich kann Euch sagen – Rhabarber ist schon auf dem Kuchen säuerlich. Denkt Euch den Rest.

Meine Mutter und ich erlebten in dieser Nacht unser Rhabarbertrauma und wir haben die Stängel in jedweder Form seither beide gemieden.

Zurück im Jahr 2015. Frau Venus geht mit Minimops einkaufen und bleibt grübelnd vor dem Rhabarber stehen. Nach dreißig Jahren, dachte ich mir, ist es Zeit, Traumata aufzuarbeiten (blöde Idee). Ich kaufte drei schillernde Stangen (noch blödere Idee) und beschloss, sie zu etwas sehr besonderem zu verarbeiten (allerblödeste Idee). Denn Rhabarberkuchen … schloss ich aus Gründen aus. Das Internet verriet mir schließlich, dass Rhabarber gar kein Obst, sondern Gemüse ist und durchaus auch herzhaft zubereitet werden kann. Den Rest dachte ich mir in einem Anflug von Sternekochidentitätsstörung aus. Flammkuchen mit Kohlrabi und Rhabarber! Wie klingt das? So, als müsste man das unbedingt mal probieren (Nicht.) (Meine Mutter am Telefon beim Luftholen zwischen zwei Lachanfällen – “Rhabarer und KOHLRABI? Willst Du Euch vergiften?” Haha. Sehr witzig.) Ich schälte also die Rhabarberstangen und stiftelte den Kohlrabi, verteilte eine Masse aus Schmand, Kräuterfrischkäse und Meersalz auf dem Flammkuchenboden und bedeckte ihn mit der Rhabarber-Kohlrabi-Mischung, die ich zuvor in der Pfanne noch leicht gedünstet hatte.

Der Duft, der aus dem Ofen zog, war in der Tat verführerisch. Und der Flammkuchen sah auch echt lecker aus. Beim ersten Bissen hatte ich eine knusprige Ecke erwischt, ganz viel Schmand und ein bisschen Kohlrabi. Ich wollte grade eine Lobrede auf meine experimentelle Küche vom Stapel lassen (mit dem Kind als einzigem Zuhörer), da biss ich auf ein Stück Rhabarber. Dass sauer lustig macht, kann ich jetzt mit absoluter Gewissheit dementieren. Die rosa-gelb-grünen Rhabarberstücke hatten aus einem an sich schmackhaften Flammkuchen einen pottsauren Fladen gemacht. Ich aß weiter. Und immer, wenn ich ein rhabarberfreies Stück in den Mund steckte, hätte ich mich fast mit dem Essen anfreunden können, bis … ja bis ich wieder beim Gruselrhabarber landete. Das Kind mampfte übrigens unverzagt, bis es mein Gesicht sah. Dann spuckte sie plötzlich ein großes Rhabarberstück aus, begutachtete es mit großen Augen und sagte “Des … schmeckt kooomisch.” Wir haben jetzt übrigens einen großen Teller Spaghetti mit Soße gegessen. Von der Lösung des Rhabarbertraumas bin ich ein großes Stück abgerückt. Das saure Gemüse rangiert weiterhin zwischen Lakritzschnecken und Heuschrecken – kann man essen, muss man aber nicht. Aber fragt mich einfach in 30 Jahren nochmal.

6 Antworten auf „Mein Rhabarbertrauma – kein Ende in Sicht“

  1. Ich liiiiebe Rabharberkuchen mit dünnem Boden und Schlagsahne. Reifen in Zucker gekochten Rabharber.

    Ich mag auch Kohlrabi.

    Bei der Idee Kohlrabi mit Rabharber zu mischen dachte ich aber auch sofort an Vergiftung. Zumal Rabharber ohne Zucker ne einigermaßen furchtbare Vorstellung ist (ich konnte also alles sehr gut nacherleben. Da kann ich mir ja eher einen Rhabarber-Kohlrabikuchen vorstellen. Denn Kohlrabi mit Zucker (ist ja viell. noch vorstellbar) aber Rharbarber mit Kräuterschmand? Lieeeh. Kennst Du das wenn man Ananas in Joghurt tut? Der wird dann ja sooo suuuuperbitter. Hätte vermutet, dass dies auch Deinem Kräuterschmand passiert.
    Neee also ich glaube das Gemüs geht nur in süß. Hach, das reimt sich, und was sich reimt, ist gut. 😉

    Ich wünsche eine gute Retraumaverarbeitung!
    Manu

  2. Rhabarber braucht doch wirklich unheimlich viel Zucker, um genießbar zu werden – und eigentlich zudem eine nicht zu kleine Portion Zimt. Ich überlege gerade, warum Zimt – das war nicht nur für den Geschmack – sondern MUSS rein. Ich find es nicht mehr – aber so hab ich das gelernt – geht gar nicht ohne.

    Mit Kohlrabi ohne Zucker – örks (und dabei mag ich Rhabarber tatsächlich gerne)

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