Ich habe heute einen Satz aus dem Vormittag mitgenommen, der mich unbewusst schon den ganzen Tag begleitet. Ich arbeite an einer Seite zu einem Thema, das mich selbst sehr beschäftigt, auch wenn es noch in weiter Ferne liegt für mich persönlich. Im Rahmen eines Hintergrundrecherche-Termins hat mir heute jemand gesagt “In Deutschland muss niemand verhungern. Viel schlimmer ist die gefühlte Armut.” Er hat es noch ein bisschen ausgeführt: Sich spontan diese eine Bluse nicht kaufen zu können, den Kinobesuch auf unbestimmt verschieben zu müssen, den Kindern erklären zu müssen, warum das Malbuch oder die CD nicht drin ist. Wenn die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht mehr möglich ist, ist die Armut angekommen. Auch wenn deswegen keiner in Fetzen zur Schule muss und kein Magen knurrt.
Ich bin für solche Tage und für solche Termine dankbar, denn sie erden mich ganz schnell wieder. Ich werde deswegen nicht ab morgen ein asketisches Leben beginnen, aber ich versuche mich darauf zu besinnen, wie gut es uns geht, auch, wenn wir zum Glücklichsein nicht viel brauchen. Der Unterschied ist, dass wir es uns kaufen KÖNNTEN, wenn es zu unserem Glück beitrüge.
Nicht viel gebraucht hat heute auch das Kind, das ganz ohne Spielzeug den ganzen Morgen mit dem Kindergarten im Wald unterwegs war. Stöcke, Steine und gute Freunde. (Sieht man mal von den drei Broten und zwei Weinbergpfirsichen ab, die es so gut wie komplett verputzt hat.) Hätte die schusselige Mutter nicht erst zehn Minuten nach sechs auf die Uhr geguckt, hätte sie vielleicht HEUTE Abend erfahren, ob es sich bei den roten Flecken, die auf die Oberschenkel gewandert sind, um Ringelröteln handelt oder nicht. Und apropos Wald – auch ich habe dem hiesigen Forst einen Besuch abgestattet. Mal wieder auf der Jagd nach einem Foto. Solltet ihr je einer Frau mit Kamera und den falschen weil höchsten Schuhen auf einem Schotterweg im Wald begegnen, sagt mal hallo, das bin ich.
Aber die Aussicht war halt schon echt nett.
Und nicht viel gebraucht hätte es, dann hätte ich gestern im Archiv unserer Zeitung die Zeit vergessen. Ich stöberte mich im staubigen Keller durch die alten Papierausgaben, die fast so alt sind wie ich, suchte etwas Bestimmtes und fand es nicht. Aber ich staunte über die Themen, die man damals für berichtenswert hielt. “Braut macht ihrem Zukünftigen ein Hochzeitsgeschenk: 10 Kilo abgespeckt in einer Blitzdiät!” (Und nein, wir sind nicht die Goldene Post…)
Morgen ist schon wieder der letzte Tag meiner Arbeitswoche, weil ich den halben Donnerstag schon gestern abgevespert habe. Am Donnerstag gehe ich dann dafür in den Montagsklavierunterricht und hoffe, dass diese verplante Woche ein geordnetes Ende findet. Denn das einzige, was ich tatsächlich bräuchte, ist einen Erinnerungsdienst. Bis ich nämlich in Erfahrung gebracht habe, ob mein Kind die Ringelröteln nun hat oder nicht, sind sie vermutlich Geschichte. Aber dann … braucht’s die Info auch nicht mehr.